Vermischtes
KNA – Steffen Grimberg

taz will nicht „online only“ werden

taz will nicht „online only“ werden Andreas Marggraf (Foto: Christian Mang)

Die taz soll ab Herbst 2025 unter der Woche nicht mehr gedruckt erscheinen. Die Abos für die digitale Ausgabe werden aber gleich viel kosten, erklärt taz-Geschäftsführer Andreas Marggraf.

Berlin – Andreas Marggraf kennt die taz noch aus Zeiten, wo es schlechter um sie stand. Von 1998 bis 2007 war er Geschäftsführer der Regionalausgabe in Hamburg und Controller der taz-Entwicklungs-KG. Es folgten ein längerer Aufenthalt in den USA und ein Job als Finanzchef bei R„eporter ohne Grenzen“. 2019 übernahm der 1969 in Offenburg geborene Marggraf den Staffelstab als taz-Geschäftsführer vom legendären Mitgründer Karl-Heinz „Kalle“ Ruch und dessen Kollegen Andreas Bull. Heute führt Marggraf die Geschäfte gemeinsam mit Aline Lüllmann, die für die "az die digitale Transformation anschob, dann auch mal weg war und 2020 als zweite Geschäftsführerin zurückkehrte.

 

Herr Marggraf, am 17. Oktober 2025 erscheint die taz unter der Woche zum letzten Mal gedruckt. Warum genau zu diesem Datum?

Andreas Marggraf: Wir haben bei unseren Berechnungen schlicht gesehen, dass wir spätestens 2026 wesentlich weniger Ertrag aus unseren täglich gedruckten Abos hätten, wenn wir weiter drucken würden. Deswegen mussten wir uns rechtzeitig zu diesem Schritt entscheiden, solange es uns gut geht. Beim konkreten Termin spielten dann noch Überlegungen wie zum Beispiel die Bundestagswahl 2025 eine Rolle. Es ist ja klar, dass ein solches Ereignis nicht gerade parallel zu so einem Umstellungstermin stattfinden sollte.

 

Die nächste Bundestagswahl gibt es dann also noch ein letztes Mal schwarz auf weiß gedruckt?

Die wird es noch einmal in Print geben. Aber ich nehme mal an, dass die Koalitionsverhandlungen dann schon zumindest unter der Woche in der digitalen "taz" zu lesen sind. Und dann natürlich in der weiterhin auch gedruckt erscheinenden "wochentaz", die das ausführlich aufbereitet und analysiert.

 

Was bedeutet die Umstellung für die bisherigen Abonnentinnen und Abonnenten der Printausgabe? Die taz hat durch den Wegfall von Druck- und Vertriebskosten ja deutliche Einsparungen. Wird etwas davon weitergegeben?

Unsere Abonnentinnen und Abonnenten wissen, dass Qualitätsjournalismus seinen Preis hat und der Anstieg der Druck- und Vertriebskosten bedeutet, dass immer weniger für die Redaktion übrig bleibt. Wir werden daher die Preise für die tägliche Ausgabe gleich lassen. Aber wir werden natürlich weiterhin auch unser solidarisches Preismodell beibehalten, bei dem jeder und jede entscheiden kann, ob es der ermäßigte Preis, der Standardpreis oder der politische Preis sein soll.

 

Online gibt es bei der taz keine Paywall, sondern ebenfalls ein Modell, das auf die Solidarität der Nutzer setzt. Wie gut funktioniert „taz zahl ich“ aktuell?

Relativ gut. Als wir 2018 unser Szenario vorstellten, haben wir gesagt, wir brauchen 20.000 „taz zahl ich“-Zahlende für unser wirtschaftliches Zukunftsmodell. Inzwischen gehen wir auf die 40.000 zu, und wir glauben, dass da auch noch weiteres Potenzial besteht. Denn unser Solidarmodell funktioniert auch hier. Viele Leserinnen und Leser verstehen, dass es gut ist, wenn Menschen, die es sich leisten können und wollen, etwas bezahlen, und damit allen den freien Zugang zu taz.de ermöglichen. Und ganz grundsätzlich freuen wir uns, dass viele Leser wissen, dass Journalismus auch im Netz seinen Preis hat, und sie gerne dafür freiwillig bezahlen.

 

Wie haben Sie ihre Leser auf die Umstellung vorbereitet? Konnten sie mitentscheiden?

Unsere Entscheidung basiert unter anderem auch auf einer umfangreichen Leser*innenbefragung, die wir im letzten Jahr und Anfang dieses Jahres mit verschiedenen Abonnementgruppen gemacht haben. Hier hat es sich auch noch mal bestätigt, dass es unseren Abonnent*innen wichtiger ist, dass die taz weiter als abgeschlossene Tageszeitung digital erscheint, als dass wir weiter drucken und damit die Zukunft der taz gefährden. Wir wollen jetzt einen großen Schritt machen, um uns mit unseren Lesern gut für die Zukunft aufzustellen.

 

Haben Sie schon eine Ahnung, wie viele der bisherigen Abonnenten diesen Schritt mitmachen?

Wir haben sie wie gesagt befragt - nur 16,6 Prozent haben angekündigt, ihr Abo zu kündigen. Und nur 2 Prozent haben erklärt, sie würden dann lieber nur noch taz.de lesen und dann „taz zahle ich“ zu nutzen. Über 80 Prozent wollen aber weiterhin eines unserer sogenannten Zukunftsabos abonnieren: Also entweder das digitale Abo, das "wochentaz“-Abo oder das Kombi-Abo aus beidem. Auch wenn wir nicht zu 100 Prozent sicher sein können, dass es wirklich genau so kommt, können wir schon sehr darauf vertrauen, dass es unseren Leser*innen wichtig ist, dass sie weiterhin die taz in einer richtigen Tageszeitungsausgabe lesen können, und sie dann auch bereit sind, dafür zu bezahlen.

 

Wie sieht es bei den Anzeigen aus?

Bei der "taz" spielen Anzeigen ja immer schon eine eher untergeordnete Rolle. Den größten Umsatz haben wir sowieso in der „wochentaz“ – und die bleibt. Es wird natürlich auch digitale Anzeigen geben, so dass es weiterhin möglich ist, auch unter der Woche Werbung zu schalten. Wir gehen aber davon aus, dass Kundinnen, die im Moment noch unter der Woche schalten, eher in die „wochentaz“ wechseln werden.

 

Ist die taz denn wenigstens ein bisschen neidisch auf die „Hamburger Morgenpost“, weil sie ihr mit dem Verzicht auf die gedruckte Ausgabe unter der Woche zuvorgekommen ist?

Das ist ja ein ganz anderes Modell. Die "Morgenpost" erscheint unter der Woche nur noch online. Es gibt nur einmal in der Woche eine richtige Zeitungsausgabe. Wir werden nicht "online only", sondern weiterhin jeden Tag als abgeschlossene Zeitung im Zeitungs-Layout erscheinen - nur eben digital. Das ist einerseits wirtschaftlich wichtig, entspricht aber auch dem Interesse unserer Leser. Wir haben aktuell nur noch 16.000 Print-Abonnenten, aber über 16.000 Leute, die schon jeden Tag die digitale Ausgabe lesen. Und das ist ausbaufähig. Die taz war ja schon oft Trendsetter oder geht dem Rest der Branche voraus. Natürlich tauschen wir uns auch mit anderen aus, die alle ähnliche Probleme haben. Die „Morgenpost“ hat sich zum Beispiel auch von uns auch beraten lassen, wie wir den Prozess gestalten.

 

Dabei wollte die taz den Trend ja schon früher setzen. Warum wurde der ja schon vor ein paar Jahren diskutierte Umstieg noch mal verschoben?

Es war immer klar, dass dieses Szenario von verschiedenen Faktoren abhängt. Durch Corona hatten sich die Lesegewohnheiten noch mal ein bisschen geändert, in den Jahren haben wir deutlich weniger Print-Abos verloren. Die Leute hatten noch mal Zeit, auch eine gedruckte Zeitung zu lesen. Als Corona dann vorbei war, ging es auch wieder schneller bergab. Insofern freuen wir uns, dass wir denjenigen, die gerne täglich gedruckt lesen, das noch drei Jahre länger bieten konnten.

 

Welcher Titel wird denn als nächster folgen?

Alle Zeitungen werden sich ihre Zahlen sehr genau anschauen und haben ihre Zukunftsprognosen. Sie werden nun die"taz beobachten – so wie wir natürlich auch Regionalzeitungen wie die „Ostthüringer Zeitung“ in Greiz oder die „Märkische Allgemeine“ in der Prignitz beobachtet haben, die auf lokaler Ebene einzelne Ausgaben rein digital anbieten. Wir haben eine unglaublich eng an uns gebundene Leserschaft, der es wichtig ist, dass die taz weiter besteht. Das ist schon ein Vorteil gegenüber manch anderen Titeln, wo diese Bindung möglicherweise nicht so groß ist. Dazu kommt das sehr hohe Bildungsniveau bei unseren Leserinnen und Lesern, was sich auch positiv auf deren digitale Flexibilität auswirkt. Wir waren immer schon sehr offen und transparent, auch mit unseren Zahlen. Und deswegen können wir auch so in die Offensive gehen.

 

Sie sagten eingangs, der taz gehe es gut. Wie gut geht es ihr denn wirklich?

Die taz hat seit mehreren Jahren positive Jahresergebnisse – der eben auf der Genossenschaftsversammlung präsentierte Überschuss für 2023 liegt bei einer Million Euro. Das ist ja auch der Grund, warum wir sagen, wir müssen die Umstellung jetzt machen, solange wir eine gute wirtschaftliche Situation haben und uns gut vorbereiten können. Wenn wir in schlechtere Zeiten rutschen, wäre das viel schwieriger.