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Presserabatte: Verzichten wollen die wenigsten Journalisten

Was schimpfen gerade einige Kollegen von den so genannten Qualitätsmedien, wenn sie auf Presserabatte angesprochen werden. Journalisten würden sich mit Rabatten kaufen lassen! Und alle Firmen würden nach den Skandalen der vergangenen Monate darauf verzichten, Journalisten Vergünstigungen anzubieten. Von wegen!

Berlin - Gerade im Zusammenhang mit der Causa Christian Wulff haben Kollegen wie Götz Aly und auch NEWSROOM-Verleger Johann Oberauer gefordert, dass Journalisten komplett auf Schnäppchen verzichten. Grund - wer wie im Fall Wulff auf vollständige Transparenz beharrte, dürfe sich nicht angreifbar machen. Einige Monate nach der großen Diskussion steht aber eins fest - auf ihre Vergünstigungen wollen Journalisten nicht verzichten. Und auch den geforderten Rückzug der Firmen von der angeblichen "Journalisten-Bestechung" hat es in der Form nicht gegeben.

Nora Jakob kümmert sich bei Pressekonditionen.de um die Aktualisierung der Rabatte und beantwortet die Anfragen von Journalisten. 23.000 Journalisten beziehen den regelmäßigen Newsletter - verstärkte Abbestellungen gab es bei den Presserabatt-Beobachtern nicht. Fast 1200 geprüfte Journalistenrabatte verzeichnet das Portal; wer seine Daten bei der jährlichen Überprüfung nicht aktualisiert oder bestätigt, fliegt aus dem Verzeichnis raus.  "Journalistenrabatte sind nichts anderes als Gruppenrabatte", findet Jakob.

 

Nora Jakob ist das offizielle Gesicht von Pressekonditionen.de. Die 24-Jährige studiert Politikwissenschaft und Medienmanagement an der Universität Köln.

 

NEWSROOM: Frau Jakob, Presserabatte haben keinen guten Ruf und werden immer wieder heiß diskutiert. Wie erleben Sie Journalisten, die sich auf Ihrem Portal informieren?

Nora Jakob: Regelmäßig bekommen wir sehr positive Reaktionen: Journalisten freuen sich, dass sie bei uns alle Infos finden. Einige schreiben Dankes-Emails. Natürlich gibt es Journalisten, die ihre Position missbrauchen und glauben, dass sie qua Beruf Anspruch auf die Leistungen haben. Schwarze Schafe gibt es in jeder Branche. Wir greifen deshalb sofort ein, wenn ein Journalist verbal die Grenze überschreitet und Firmen über die Feedback-Funktion unserer Website beschimpft. Zum Glück kommt dies nur sehr selten vor.

NEWSROOM: Kollegen, die Presserabatte nutzen, sagen oft, dass eine Vergünstigung sie bei ihrer Arbeit nicht beeinflussen würde. Aber warum bieten Unternehmen dann ausgerechnet Journalisten besondere Vergünstigungen an?

Nora Jakob: Wir schließen nicht aus, dass Firmen das vorhaben. Zwei Argumente sprechen dafür, dass diese Intention bei der Masse nicht erfolgreich ist. Schließlich bieten wir eine Vielzahl von Rabatten an und kein Journalist wird in der Lage sein über alle Firmen positiv zu berichten - auch nicht, wenn er wollte. Außerdem sind Journalisten darauf trainiert, Beeinflussung zu erkennen und sich davor zu schützen. Bei vielen Firmen - vor allem bei den Großen - sind Journalistenrabatte nichts anderes als Gruppenrabatte: Auch Mitglieder von Vereinen oder Angestellter bestimmter Firmen bekommen Sonderkonditionen und nicht selten sind die Angebote identisch oder in einigen Fällen sogar besser als die Pressekonditionen. Auf diese Weise wird der Verkauf von Produkten angekurbelt oder Restbestände und Überkapazitäten an den Mann gebracht.

NEWSROOM: Sie haben gerade Ihre Datenbank komplett aktualisiert. Nach der Wulff-Debatte Anfang des Jahres hieß es, dass viele Groß-Unternehmen auf Rabatte verzichten wollten. Wie ist der aktuelle Stand?

Nora Jakob: Im Zuge der Wulff-Affäre haben Deutsche Bahn, Air Berlin und die Telekom ihre Rabatte eingestellt - mehr nicht. Wir haben weiterhin rund 1200 Rabatte online, darunter Firmen wie Tui Deutschland sowie fast alle Autohersteller wie Volkswagen und Autovermieter wie Hertz oder Sixt.

NEWSROOM: Verraten Sie uns, welche Vergünstigungen interessieren Journalisten besonders?

Nora Jakob: Momentan stehen Reiseanbieter und Autovermietungen weit oben, die sich auf die ersten zehn Plätze verteilen. Vorne sind im Moment zum Beispiel die Angebote von Condor, Tuifly oder Europcar.

NEWSROOM: Sind Ihre Nutzer eigentlich alles freie Kollegen, die auf den Euro achten müssen?

Nora Jakob: Ein genaues Nutzerprofil unserer User erstellen wir nicht. Wir können aber sagen, dass es mitnichten nur freie Kollegen sind, die auf jeden Euro achten müssen. Es hält sich in etwa die Waage zwischen festen und freien Journalisten.

NEWSROOM: "Netzwerk Recherche" verbietet in seinem Kodex die Annahme von Vergünstigungen. Haben die Kollegen sich bereits bei Ihnen gemeldet und ihre Mitgliederliste mit Ihrer Abonnentenliste verglichen?

Nora Jakob: Nein, es haben sich keine Kollegen gemeldet, um Mitgliederlisten abzugleichen. Das würden wir auch nicht zulassen. Wir achten auf Datenschutz und würden nie Informationen unserer Nutzer ohne deren Einwilligung herausgeben.

NEWSROOM: Glauben Sie, dass Presserabatte die Glaubwürdigkeit des Journalismus erschüttern?

Nora Jakob: Nein, Rabatte erschüttern die Glaubwürdigkeit des Journalismus nicht. Es liegt in dem Ermessen des Journalisten mit der Verantwortung, die sein Beruf mit sich bringt, umzugehen. Mit unserem Angebot bringen wir Transparenz in das Thema Journalistenrabatte, weil alle Internet-Nutzer die Rabatte einsehen können.

Mit Nora Jakob von Pressekonditionen.de sprach NEWSROOM-Chefredakteur Bülend Ürük.

Was halten Sie von Presserabatten? Ihre Meinung bitte an redaktion@newsroom.de.