Vermischtes
KNA – Thomas Schuler

Donald Trumps Kampf gegen die Medien

Die White House Correspondents‘ Association war lange eine mächtige Institution. Jetzt steht sie unter Druck, weil Donald Trump die langjährige Machtverteilung zwischen Politik und Journalismus grundsätzlich in Frage stellt.

Washington/München (KNA) – Brian Glenn war im Kreis der Korrespondenten inmitten der White House Press nicht wirklich bekannt, bis er dem ukrainischen Präsidenten im Oval Office die Frage stellte, warum er keinen Anzug trage. Mit einem Schlag war der Korrespondent des wegen seiner Verschwörungstheorien berüchtigten Kabelsenders Real America‘s Voice berühmt. Und spätestens mit Glenns Frage musste allen Berichterstattern schlagartig klar geworden sein, was es bedeutet, dass Donald Trump nun bestimmen will, wer ihn begleiten und über ihn berichten darf. Jahrzehnte lang hatten dies die Journalisten über die White House Correspondents‘ Association selbst und unabhängig vom Pressestab des Präsidenten praktiziert. Doch damit ist es nun aus und vorbei.

 

Die Beispiele werden täglich mehr: Die Frage nach dem Anzug und dem Respekt für Trump. Die Umbenennung des Golf von Mexiko in den Golf von Amerika. Die Abstrafung der Nachrichtenagentur Associated Press (AP), die sich der neuen Sprachregelung nicht beugen und ihr Stylebook nicht umschreiben will. All das wirkt so absurd wie Satire, ist aber bittere Wirklichkeit. Der Konflikt mit AP war noch nicht beigelegt, als das Weiße Haus Ende Februar ankündigte, künftig darüber zu bestimmen, welche Reporter Trump begleiten und befragen dürfen.

 

Die White House Correspondents‘ Association (WHCA) ist eigentlich eine eigene Macht im Checks-und-Balance-System der USA, die sehr auf ihre Privilegien und besonderen Regeln achtet. Ihre Geschichte reicht 111 Jahre zurück. Der Pool wurde unter Präsident Dwight D. Eisenhower etabliert, um ihn auf allen Reisen begleiten zu können. Das Weiße Haus organisiert diese Reisen, aber die Nachrichtenorganisationen müssen sie bezahlen.

 

Das Pool-System versorgt alle Medien

Brian Glenn war beim Kreuzverhör von Trump und dessen Vize Vance neben CNN als Reporter des TV-Pools ausgewählt vom Weißen Haus. Beteiligt an den Pools sind jeweils Journalisten für Fernsehen und Radio, Fotografen, Journalisten für Print- und Online sowie für Nachrichtenagenturen. Pool-Reporter kooperierten und wechselten sich ab, um für andere Nachrichten, Zitate und Hintergründe zu liefern; bislang regelte dieses Rotationssystem die WHCA alleine. Das Weiße Haus war lediglich für die Logistik zuständig. Jetzt bestimmt Trump mit und lässt Journalisten auswählen, die ihm freundlich gesonnen sind. Leute wie Brian Glenn. AP bleibt dagegen vom Pool ausgeschlossen, ebenso vom Präsidentenflugzeug Air Force One. Die Journalisten der Agentur reisen dem Präsidenten nun auf eigene Faust hinterher, werden aber immer wieder behindert, wenn sie Zugang zu Veranstaltungen erhalten möchten.

 

Die neue Regelung greife die Unabhängigkeit einer freien Presse an, kritisiert Eugene Daniels, der für „Politico“ berichtet - und die White House Correspondents‘ Association als Präsident führt. In einem freien Land dürfte nicht die Politik bestimmen, wer über sie berichte, sagt Daniels. Die Pressesprecherin von Trump, Karoline Leavitt, habe den Verein ohne jede Vorwarnung vor vollendete Tatsachen gestellt. Sein Verband werde sich weiter für umfassenden Zugang einsetzen und für das Recht auf unvoreingenommene Berichterstattung, betonte Daniels in einem Statement - und gleichzeitig keine Pool-Berichte mehr verbreiten, um Trumps Regierung „bei der Übernahme der Berichterstattung nicht auch noch behilflich zu sein“.

 

Leavitt behauptet, das Weiße Haus gebe mit der neuen Regelung die Macht dem Volk zurück, weshalb mehr Podcaster, Influencer und andere „alternative“ Produzenten von Nachrichten zugelassen werden. Dem widerspricht mit Jaqui Heinrich sogar eine Korrespondentin von Fox News, einem Sender, der eigentlich Trump nahesteht: Damit erhalte nicht das Volk Macht, sondern das Weiße Haus, sagte sie der „New York Times“.

 

WHCA hat 800 Mitglieder

Bislang ist die WHCA ein exklusiver Klub, in dem 800 Journalisten von 300 Medien- und Nachrichtenorganisationen zusammengeschlossen sind, darunter etwa 70, die ständig über den Präsidenten berichten. Den Amerikanern sind drei Seiten dieser Korrespondenten-Schar vertraut: Die tägliche Pressekonferenz von Trumps Pressesprecherin. Die Reporter-Schar bei Reisen des Präsidenten, vor Ort und in der Air Force One. Und das alljährliche Gala-Dinner der WHCA, das in wenigen Wochen am 26. April stattfindet.

 

Beim letzten Dinner dieser Art im Washingtoner Hilton Hotel hatte der damalige Präsident Joe Biden ein ernstes Thema angesprochen, das den Wahlkampf dominieren würde: Sein hohes Alter. „Der Wahlkampf 2024 ist voll im Gang und ja, Alter ist ein Thema,“ sagte der damals 81-jährige Biden und fügte an: „Ich bin ein erwachsener Mann, der gegen einen Sechsjährigen antritt.“ Ein verächtlicher Hieb gegen Donald Trump, damals 77. Und es folgte gleich noch einer: Donald habe zuletzt ein paar anstrengende Tage gehabt, sozusagen stürmisches Wetter erlebt. „Stormy“ weather - wie Stormy Daniels, die Stripperin und Pornodarstellerin, der der „National Enquirer“ vor der Wahl 2016 in Trumps Auftrag Schweigegeld bezahlt haben soll, damit die Affäre geheim bleibt.

 

Solche Hiebe haben Tradition beim Dinner, das der Verein seit 1921 veranstaltet: Präsidenten geben sich humorvoll und teilen mit bitterer Ironie aus - auch gegen sich selbst. Das Gala-Dinner mit seinem roten Teppich und Hollywood-Stars wie George Clooney gehört in die Kategorie der Celebrity-Events, gleichermaßen beliebt bei Boulevard-Medien wie seriösen Pressevertretern. Die Einnahmen des Abends finanzieren die WHCA und deren Stipendien.

 

Alles schon mal dagewesen?

Wer mehr über solche Traditionen wissen möchte, sollte sich an Kenneth T. Walsh halten. Er begann als Reporter für AP in Denver und die „Denver Post“. Ab 1986 berichtete er für das Nachrichtenmagazin „U.S. News & Worl Report“ aus dem Weißen Haus, 1994/95 fungierte er auch als Präsident der WHCA. Kenneth T. Walsh hat 1996 das Buch „Feeding the Beast - The White House versus the Press“ über das mitunter gespannte Verhältnis der Präsidenten zur Presse veröffentlicht. Vor 30 Jahren beschrieb er, wie der damalige Präsident Bill Clinton mit seinem Stab einen Kampf gegen Journalisten ausgefochten habe, als führe er endlos Wahlkampf. Man könnte also sagen: Alles schon mal da gewesen. Nur ist aus heutiger Sicht all das harmlos gegenüber der Methode von Donald Trump.

 

Denn Trump möchte zurück zu einem Verhältnis, wie es vor 100 Jahren bestand, als die Berichterstattung durchweg freundlich und ehrfurchtsvoll war. Das waren die Zeiten, als Theodore Roosevelt und sein Namensvetter Franklin Delano Roosevelt Journalisten einluden, sie persönlich kennenlernen wollten - und im Gegenzug ergebene Berichterstattung erwarteten. Die meisten Journalisten betrachteten sich damals als Teil der Regierung, so Kenneth T. Walsh, speziell wenn es um die internationale Politik ging.

 

Die WHCA war eine Herren-Runde, bis in den 1960er Jahren Helen Thomas kam und Jahrzehnte lang blieb. Die Grande Dame im Pressecorps des Weißen Hauses avancierte durch ihre bohrenden Fragen nicht nur zur dienstältesten, sondern auch zur wohl berühmtesten Reporterin einer ganzen Garde von Präsidenten, wie die „Washington Post“ über sie schrieb. Sie selbst gefiel sich als „Foltermeisterin der Präsidenten“: Nachdem sie Gerald Ford wegen seiner Absicht, Vorgänger Richard Nixon zu amnestieren, mit vielen Fragen genervt hatte, sagte der: „Wenn Gott die Welt noch einmal erschaffen würde, da bin ich mir sicher, könnte er am siebten Tage nicht ruhen, sondern müsste sich gegenüber Helen Thomas rechtfertigen.“ In Kinofilmen wie „The American President“ durfte sich die Reporterin der Nachrichtenagentur United Press International (UPI) selbst spielen.

 

Legende Helen Thomas

Millionen Amerikaner kannten das Gesicht und die hohe Stimme jener Frau, die über Jahrzehnte in allen Pressekonferenzen stets die erste Frage stellte und das letzte Wort („Danke, Herr Präsident“) hatte - ihre Agentur-Berichte von UPI lasen sie jedoch nicht, weil kaum eine Zeitung sie druckte. Helen Thomas war eine, die von morgens um halb sechs bis abends um zehn durchs Weiße Haus schlich und den Sprechern der Präsidenten Löcher in den Bauch fragte.

 

Ihre Kollegen hatten es nicht immer leicht mit ihr: Einer von ihnen wagte sie mal zu fragen, ob er nicht von Clintons Air Force One in den zweiten, der Presse vorbehaltenen Begleitflieger, wechseln könne, weil die TV-Übertragungen dort lustiger seien. Workaholic Thomas sagte nur: „Ich will, dass du an Bord bist, falls die Präsidentenmaschine abstürzt.“ Das klingt zynisch, beschreibt aber doch einen großen Teil der Arbeit der White House Press. Die Reporter sprechen von „Body watch“, was heißt: Dabeisein, falls dem Präsidenten etwas zustößt. Allerdings sei genau dieser Job eigentlich längst überholt, schreibt Kenneth T. Walsh. Heutzutage werde der Präsident auf Schritt und Tritt von Kameras begleitet, so dass jeder Amerikaner jede seiner Bewegungen mitbekomme.

 

Trump verklagt missliebige Medien

Doch seit Trump zurück als Präsident ist, geht es um mehr: um Zensur und Behinderung von freier Berichterstattung. Trump und seine Mitstreiter wie Elon Musk beschimpfen Journalisten, die sie kritisieren, und fordern deren Entlassung. Die Aufsichtsbehörde Federal Communications Commission hat eine Reihe von Untersuchungen gegen Medien-Unternehmen und deren Sender begonnen und übt Druck aus. Trump selbst verklagt Medien wegen unliebsamer Berichterstattung.

 

Auch AP klagt jetzt wegen des Ausschlusses gegen das Weiße Haus; auch die WHCA geht gerichtlich gegen Trump vor. Wie der Machtkampf zwischen den Journalist und Donald Trump ausgehen wird, dürfte sich auch daran zeigen, wer sich beim Gala-Dinner am 26. April noch traut, Witze über das sechsjährige Kind mit Anzug, Krawatte und Baseball-Kappe zu machen, das mit Krieg und Frieden spielt und den Journalismus bekämpft.