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Newsroom – David Sieber

Axel Hacke im Interview: Das Lachen tröstet jetzt

Axel Hacke im Interview: Das Lachen tröstet jetzt Axel Hacke

„Humor versucht, die schweren Dinge des Lebens so zu wenden, dass sie plötzlich leicht erscheinen“, sagt Axel Hacke im Interview mit dem „medium magazin“. Der „SZ-“Magazin-Kolumnist beschreibt darin, wie er durch die Corona-Krise kommt und warum er im Kampf gegen den Redaktionsschluss schon mal in ein Paternoster stieg.

„Wie ein Reporter von der Welt berichtet, so berichtet dieser Kolumnist (Hacke, Anm. d. Red.) von sich selbst“, heißt es in Ihrem „Kolumnistischen Manifest“. Wird das nicht irgendwann langweilig? 

Axel Hacke: Ich schreibe nun seit 30 Jahren Kolumnen im "SZ-Magazin". Wenn es langweilig würde, müsste ich aufhören, Langeweile ist der Todfeind des Kolumnisten. Aber die Welt dreht sich, Dinge verändern sich, nicht zuletzt meine Kolumne. Ich habe zehn Jahre über mein Alltagsleben geschrieben. Als mir das fad wurde, haben wir die Kolumne auf den Kopf gestellt und aktuellen Themen der Zeit gewidmet. Und genau die sind ja zurzeit besonders spannend.

 

Wie hat die Corona-Krise Ihr Leben verändert? 

Für mich war es eigentlich eine sehr produktive Zeit. Während sich das Leben für viele Menschen fundamental verändert hat, sind mir die Themen nur so zugefallen. Allerdings fielen alle meine Lesungen aus. Ich mache ja so an die 90 im Jahr, die waren plötzlich weg.

 

Sie haben vor 20 Jahren Ihre Festanstellung bei der "Süddeutschen Zeitung" aufgegeben und sich selbstständig gemacht. 

Ich wollte einfach meine Freiheit, das stand über allem. Ich habe aber lange gezögert zu kündigen. Schließlich gibt man so eine schöne, sichere Stelle nicht einfach auf. Ich konnte mir den Schritt aus zwei Gründen leisten: Mit der Kolumne habe ich ein regelmäßiges Einkommen gehabt, und meine Bücher hatten auch Erfolg. Das war auch wichtig, ich habe eine Familie zu ernähren. 

 

Angefangen haben Sie als ganz normaler Journalist.

Ja, das ist der Beruf, den ich gelernt habe. Ich habe die Journalistenschule in München besucht und war danach 20 Jahre lang Redakteur bei der "Süddeutschen".

 

Und das Kolumnistensein war damals schon in Ihnen angelegt? 

Nein. Oder vielleicht ein bisschen. Man muss mal sagen, eine Kolumne, wie ich sie schreibe, gab es damals so kaum. Aber ich konnte schon bei der "SZ" an der wohl ältesten Kolumne Deutschlands mitschreiben; dem "Streiflicht", das jeden Tag auf Seite 1 steht. Dessen Betreuung war dann auch eine meiner Hauptaufgaben. Da habe ich gemerkt, dass mir das taugt. Das "Streiflicht" besticht durch eine ungemein lebendige und gepflegte Sprache sowie meist durch völlig unerwartete Pointen. 

 

Wie hält man diese Qualität hoch? 

Es ist halt eine Arbeit, die man versucht, so gut wie möglich zu machen, schon weil man als Autor in einer großen Tradition steht. Für mich war das "Streiflicht" eine sehr gute Schule. Einmal, weil man unter extremem Zeitdruck und ohne Netz und doppelten Boden arbeitet. Es gibt kein Ersatzstück auf Halde. Es muss hinhauen. Man muss also sehr sicher sein. Aber auch, weil ich von meinen Kollegen, die das zum Teil schon sehr lange gemacht hatten, lernen konnte. Herbert Riehl-Heyse, Claus Heinrich Meyer und Hermann Unterstöger, das waren große Vorbilder. 

 

Haben die Sie auch gelehrt, mit dem „Gespenst“, dem weißen Blatt Papier, umzugehen? 

Die Angst, nichts zustande zu bringen, keine Idee zu haben, verlässt einen nie. Man beginnt ja jedes Mal mit nichts. Damit umzugehen, ist das Schwierigste überhaupt. Es ist ein Kampf, den man nie verlieren darf, sonst bekommt man gar nichts mehr hin. 

 

Und Sie haben diesen Kampf noch nie verloren? 

Nein. Aber einmal fast. Meine Urerfahrung habe ich bei meinem ersten „Streiflicht“ gemacht. Um 17 Uhr war Redaktionsschluss. Um 16.15 Uhr hatte ich erst zehn Zeilen geschrieben. Total verzweifelt – und das ist keine Übertreibung – bin ich auf den Flur gerannt. Da traf ich Claus Heinrich Meyer, der Hunderte, wenn nicht Tausende solcher Texte geschrieben hatte. Der erkannte meine Situation sofort. Er sagte: „Sie müssen sofort mit dem Paternoster die große Runde machen; oben und unten durch, also nicht aussteigen vor dem Dachstock und dem Keller.“ Das habe ich gemacht, bin danach in mein Büro gegangen und habe den Text fertig geschrieben. Daraus habe ich gelernt, dass man sich nie verbeißen darf, sondern auch mal die Distanz suchen muss zum Text. Locker bleiben, auch wenn es extrem wird. 

 

Nun haben nicht alle Kolumnisten einen Paternoster zur Verfügung. 

Das geht auch ohne, Hauptsache, man nimmt sich mal raus für ein paar Minuten und setzt dann neu an. Genauso wichtig ist, gut vorbereitet zu sein. Ich fange eine Kolumne nie erst am Abgabetag, sondern ein, zwei Tage vorher an. Ich suche mir frühzeitig ein Thema, denke darüber nach, recherchiere, so dass die wichtigsten Gedanken schon daliegen, wenn das Schreiben beginnt. Sonst kommt man unter Zeitdruck, und der erzeugt rasch Panik, das darf nicht sein.

 

Sie haben einmal geschrieben, dass Sie einer Idee nicht länger als fünf Minuten folgen könnten und deshalb Kolumnist und nicht Schriftsteller seien.

Das ist natürlich übertrieben, stimmt im Kern aber schon. Ich bin kein sehr strukturierter Denker, mein Gehirn funktioniert eher spielerisch, wo das eine zum andern kommt, was häufig zu überraschenden Assoziationen führt. Das hilft solchen Texten natürlich. Jede gute Kolumne sollte die Leser überraschen. 

 

Hilft Ihnen das, das „Schwere leicht zu machen“, wie es Ihre selbstgestellte Aufgabe ist?

Ja. Denn es geht um den Humor. Viele missverstehen den Begriff, sie sehen darin nur das Lachen und Schenkelklopfen. Das ist es aber nicht. Humor befasst sich mit den schwierigen Dingen im Leben, bloß auf eine besondere Art und Weise. Humor versucht, die schweren Dinge des Lebens so zu wenden, dass sie plötzlich leicht erscheinen. Wenn man zum Beispiel die Sketche von Loriot aller witzigen Dinge entkleidet, dann sieht man, wie tieftraurig die Gestalten sind, welche diese Texte bevölkern. Aber er hat das Witzige daran gesehen, das schafft Distanz, löst einen aus der Verzweiflung. Es lässt uns lachen, und das Lachen tröstet. 

 

Axel Hacke über die Arbeit außerhalb einer Redaktion, über den intensiven Kontakt mit der Leserschaft, sein Verhältnis zu den sozialen Medien, über die eigene Pension und Ratschläge für angehende Kolumnistinnen und Kolumnisten … 

 

Lesen Sie das komplette Interview von David Sieber, Chefredakteur des Schweizer Journalist, mit Axel Hacke im aktuellen „medium magazin“. Titelstory: Hidden Stars 2020 - heimliche Heldinnen und Helden in Deutschen Redaktionen.

 

Hintergrund: Das „medium magazin“ und der „Schweizer Journalist“ erscheinen wie newsroom.de im Medienfachverlag Oberauer. Chefredakteur des „medium magazin“ ist Annette Milz, Chefredakteur des „Schweizer Journalist“ David Sieber.