Vermischtes
KNA – Hannah Schmitz

Aus für das „Greenpeace Magazin“ im September – Mitarbeiter gründen neue Zeitschrift

Steigende Energie- und Papierpreise sowie eine nachlassende Nachfrage besiegeln das Ende für die Greenpeace Media GmbH. Ein Kernteam von Redakteuren will nun ein neues Umweltschutz-Magazin gründen.

Bonn/Hamburg (KNA) Die Umweltorganisation Greenpeace stellt das „Greenpeace Magazin“ ein und gibt ihr „Warenhaus“ auf, einen Online-Shop für fair und ökologisch hergestellte Kleidung, Schreibwaren und Bücher. Magazin und Shop gehören zur Greenpeace Media GmbH, die eine hundertprozentige Tochter des Greenpeace e.V. ist. Als Grund nennt Media-Geschäftsführer Michael Pauli, der auch Chefredakteur des „Greenpeace Magazins“ ist, dass man so einer drohenden Insolvenz vorbeugen wolle. Das Magazin erscheint letztmals im September, der Online-Shop soll ebenfalls im Herbst schließen, sagte Pauli dem KNA-Mediendienst.

 

Massiv gestiegene Kosten für Energie, Papier und Baumwolle hätten einen „spürbaren Einfluss auf die Arbeit“ genommen. Zudem würden viele Menschen sparen. Die Auflage des „Greenpeace Magazins“ sei 2019 und 2020 Jahren noch stabil gewesen. Aktuell abonnierten 53.000 Menschen das Heft, in letzter Zeit seien die Zahl der Abonnenten aber um sieben bis acht Prozent pro Jahr zurückgegangen. Bei einem Jahrespreis von rund 43 Euro netto sei es so unmöglich, das Magazin mit fairen Löhnen und ökologischer Produktion nach dem sogenannten Greenpeace-Kriterienkatalog weiterhin kostendeckend zu erhalten, so Pauli. Denn das sechsmal im Jahr erscheinende Magazin verzichtet auf Werbung und wird allein durch Abo-Erlöse finanziert.

 

Pauli, bis dahin Chef-Kommunikator bei Greenpeace e.V., wurde 2018 kurzerhand Geschäftsführer und Chefredakteur bei der Tochter Greenpeace Media, zunächst galt das als vorläufig. Das vorherige Führungsduo der Media GmbH hatte sich gerade erst verabschiedet, es soll laut einem damaligen Medienbericht Auseinandersetzungen mit Greenpeace über die künftige Ausrichtung der Greenpeace-Tochter gegeben haben. In der Redaktion rumorte es demnach kräftig. Pauli blieb, mit ihm geht die mehr als 30-jährige Geschichte des Magazins nun zu Ende.

 

Von Greenpeace unabhängig

Das „Greenpeace Magazin“ ist eigenen Angaben zufolge von der als Gesellschafter fungierenden Umweltorganisation Greenpeace finanziell wie auch inhaltlich unabhängig. Im Gegensatz zu den „Greenpeace Nachrichten“, die Förderer und Förderinnen kostenfrei erhalten - eine deutlich schmalere Mitgliederzeitschrift, in der vor allem über die Kampagnen und Aktionen der Organisation berichtet wird. Das „Greenpeace Magazin“ wartet hingegen seit Beginn der 90er Jahre mit Hintergrundberichten, Reportagen oder Interviews zu allgemeinen Umwelt- und Menschenrechtsthemen auf.

 

2023 haben zahlreiche Verlage aufgrund steigender Energie- und Papierkosten in Folge des Ukraine-Kriegs ihre Abonnement-Preise erhöht. Laut Pauli hatte auch Greenpeace Media in den vergangenen sechs Jahren die Preise bereits dreimal angehoben: von 38,50 Euro brutto auf zuletzt 46,50 Euro für ein Jahresabo. „Eine Erhöhung der Abopreise macht nur Sinn, wenn die Mehreinnahmen die Mindereinnahmen wenigstens kurzfristig ausgleichen könnten. Aber auch perspektivisch. Dies war beim Magazin seit Anfang 2023 nicht mehr gegeben“, erklärt Pauli.

 

Darüber hinaus hätten rund 30 Prozent der Abo-Kündiger schon seit drei Jahren angegeben, sie würden Geld sparen wollen. „Die hohen Kündigungen seit 2022 sind das Problem des Magazins, wir können das nicht mehr ausgleichen“, so Pauli. Seinen Angaben zufolge sind etwa 70 Prozent der Abonnenten zugleich Förderer der Umweltschutzorganisation.

 

Greenpeace e.V. hat „sehr schweren Herzens“ dann im Sommer 2023 beschlossen, die Media GmbH aufzulösen. In Paulis Email-Signatur steht nun nicht mehr „Geschäftsführer“, sondern „Liquidator“. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie alle Auftragnehmer der Media GmbH sollten so ein Jahr Zeit für eine Neuorientierung haben, bevor die Tochter 2025 in eine unvermeidliche Insolvenz rutschen würde.

 

Noch im jüngsten beim Bundesanzeiger einsehbaren Geschäftsbericht für das Jahr 2021 heißt es: „Zweifel an der Unternehmensfortführung bestehen nicht.“ Ein Jahr später sah die Welt dann offenbar gravierend anders aus.

 

Auch andere Zeitschriften bedroht

Weitere Magazine kämpften zuletzt ebenfalls um ihr Überleben: Die Satirezeitschrift „Titanic“ stand kurz vor der Insolvenz, konnte ihren Untergang aber mittels einer Rettungskampagne abwenden. Innerhalb weniger Wochen abonnierten Tausende Unterstützer das Magazin, wie der „Spiegel“ im September 2023 berichtete. Die Situation bleibe aber angespannt, heißt es bei „Titanic“.

 

Der noch jungen „Katapult“-Zeitschrift für Kartografik und Sozialwissenschaft in Greifswald drohte vergangenes Jahr ebenfalls die Insolvenz. Das Magazin schraubte an seinem Geschäftsmodell, erhöhte Abopreise, warf „unrentable Geschäfte“ über Board und erfuhr ebenso Unterstützung von Menschen, die kräftig im „Katapult“-Shop einkauften.

 

„Der wirtschaftliche Druck auf Printmedien ist aktuell mindestens genauso groß wie zu Anfang des letzten Jahres, als die Energie- und Papierpreise explodierten - wenn nicht sogar noch größer“, erklärte eine Sprecherin des Medienverbands der freien Presse (MVFP) auf Anfrage. Zu den immer noch hohen Preisniveaus wesentlicher Rohstoffe seien die „gewaltigen Transformationsanforderungen durch KI“ hinzugekommen. Sie würden dazu zwingen, alle Geschäftsmodelle zur Refinanzierung von Presseangeboten zu überdenken und neu auszurichten.

 

Für Greenpeace-Media-Geschäftsführer Pauli kam eine Rettungskampagne nicht in Frage: So etwas könne gestartet werden, wenn „die Insolvenz praktisch vor der Tür steht. Das ist/war bei Media nicht der Fall, weil die Gesellschafterin eben ausreichend vorher die Einstellung beschlossen hat, um ordentlich abzuwickeln, so wie man das bei einem ordentlichen Geschäftsbetrieb macht“, sagt er.

 

Auch Soli-Abos hätten seiner Einschätzung nach keine sechsstelligen Verluste pro Jahr auffangen können. Spenden seien nicht möglich, weil die Greenpeace Media GmbH „nicht gemeinnützig ist und sein kann“. Von Mitarbeitenden und Dienstleistern komme außerdem Lob dafür, dass sie sich mit Vorlauf auf die Insolvenz einstellen könnten, berichtet der Geschäftsführer. Aktuell beschäftigt die Media GmbH für das Magazin demnach sechs Redakteure und drei Fotoredakteure. Hinzu kommen weitere Mitarbeitende.

 

Ein achtköpfiges Team der Redaktion will nun ein neues Umweltschutzmagazin herausbringen. Die atmo Media GmbH befindet sich dafür derzeit in Gründung, wie der verantwortliche Redakteur Thomas Merten auf Anfrage berichtete. „atmo“ soll ebenfalls im Zwei-Monats-Rhythmus erscheinen, unabhängig und werbefrei. „In Zeiten, in denen Desinformation grassiert und Umweltpolitik zurückgefahren wird, ist konsequenter Umweltjournalismus wichtiger denn je“, betont Merten.

Nachfolge-Magazin „Atmo“

 

Zurzeit sei das primäre Ziel, möglichst viele der „Greenpeace Magazin“-Abonnenten für die neue Zeitschrift zu gewinnen. Eine Abonnier-Möglichkeit soll es spätestens im Sommer geben. „Wir bieten aber jetzt schon einen Newsletter an, in dem wir Interessierte einen Blick hinter die Kulissen der ‚atmo‘-Gründung bieten“, sagt Merten. Der Zuspruch bislang sei „überwältigend“ und mache dem Team Mut. Im Newsletter wurden potenzielle „atmo“-Abonnenten auch befragt, was sie für das Magazin ausgeben würden. Die Mehrheit wäre demnach bereit, einen Jahrespreis von 69 Euro zu zahlen; ein Viertel kann sich auch vorstellen, 89 Euro zu zahlen.

 

Anfang kommenden Jahres soll das erste Magazin erscheinen, im Herbst dieses Jahres wollen die Gründungsredakteure dafür eine Crowdfunding-Kampagne auf die Beine stellen. „atmo“ soll demnach zudem digitaler und aktueller sein als das Greenpeace Magazin. „Wir sondieren Plattformen und Social Media“, sagt Merten. Außerdem sprächen die Redakteure derzeit mit anderen Medien, inwiefern Kooperationen zum Beispiel bei Recherchen möglich sein können. Bleiben sollen unter anderem die „mutmachenden Geschichten“ von Menschen, die im Kleinen etwas bewirken.

 

Neben dem Bedauern über das Aus für das „Greenpeace Magazin“ macht es den Mitarbeitenden Merten zufolge „wahnsinnig Spaß“, etwas Neues zu gründen. „Es ist eine enorme Herausforderung, noch mal neu zu starten. Aber wir sind alle sehr motiviert dabei“, sagt er. Der Greenpeace e.V. wünscht den Gründern und Gründerinnen „von ganzem Herzen viel Erfolg“.