Vermischtes
Newsroom – Henning Kornfeld

Aiwanger-Berichterstattung: Wie sich die SZ-Chefs Wolfgang Krach und Judith Wittwer rechtfertigen

Aiwanger-Berichterstattung: Wie sich die SZ-Chefs Wolfgang Krach und Judith Wittwer rechtfertigen SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach (Foto: Veronica Laber)

Wolfgang Krach und Judith Wittwer, die Chefredakteure der „Süddeutsche Zeitung“, haben im Gespräch mit der „Zeit“ die Berichterstattung ihres Blatts über Hubert Aiwanger und seine Flugblattaffäre verteidigt. An einigen Aspekten äußern sie aber milde Selbstkritik.

München – Hat sich die „Süddeutsche Zeitung“ mit ihrer Berichterstattung über den bayerischen Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger und seine Flugblattaffäre selbst geschadet und womöglich sogar zu seinem Erfolg bei den bayerischen Landtagswahlen am vorvergangenen Sonntag beigetragen? Die „Zeit“ hat darüber mit den beiden Chefredakteuren der Zeitung, Wolfgang Krach und Judith Wittwer, sowie mit weiteren Redaktionsmitgliedern gesprochen.

 

Grundsätzlich verteidigen Krach und Wittwer die Berichterstattung ihres Blatts. „Wenn man so eine Geschichte nicht mehr machen kann, dann kann man gar keine mehr machen“, sagt Krach. Die Zeitung habe eine „Fülle von Indizien“ für die Urheberschaft Aiwangers an einem antisemitischen Flugblatt gehabt, die man „akribisch“ zusammengetragen habe. Die Redaktion habe zudem mit mehreren ehemaligen Lehrern gesprochen, die bestätigt hätten, dass Aiwanger als Urheber bestraft worden war. „Das ist klassische Verdachtsberichterstattung“, meint Krach.

 

Der SZ-Chefredakteur übt aber auch milde Selbstkritik an der Berichterstattung der Zeitung: „Ich würde heute an der einen oder anderen Stelle nüchterner formulieren“, sagt er. „Den Ton einzelner Geschichten haben Menschen so aufgenommen, dass er von den eigentlichen Vorwürfen in der Sache abgelenkt hat.“

 

Krach selbst ist insbesondere für einen Kommentar in die Kritik geraten. Darin hatte er geschrieben, Aiwanger habe die Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit selbst gestiftet und Vertrauen zerstört, ob er das Flugblatt nun verfasst habe oder nicht. „Auf die Urheberschaft kommt es nicht mehr an, der Rest ist schon schrecklich genug“, so der Schlüsselsatz des Kommentars. Krach räumt ein, dass dieser Satz für sich alleine gelesen „missverständlich“ sei. Im Kontext werde sein Sinn aber deutlich: Aiwanger habe vor und nach der Veröffentlichung so viele Fehler gemacht und so viele Vorwürfe nicht erklärt, dass er als Vize-Ministerpräsident nicht mehr tragbar sei. „Rückblickend stelle ich fest, dass uns meine eigene frühe Kommentierung in dieser Sache als Kampagne ausgelegt worden ist“, gesteht Krach ein.

 

In drei Kommentaren hat die SZ zwischen der ersten Veröffentlichung ihrer Recherchen und der Entscheidung von Ministerpräsident Markus Söder, Aiwanger im Amt zu halten, gefordert, der Politiker möge zurücktreten. „Das war in der Summe rückblickend zu viel“, räumt Chefredakteurin Wittwer im Gespräch mit der „Zeit“ ein.

 

Einige Mitglieder der SZ-Redaktion sehen die Berichterstattung ihrer Zeitung aber offenbar kritischer als ihre Chefs. „Wie konnten wir übersehen, dass die Form der Berichterstattung die Zeitung angreifbar macht?“, sagt eine (anonyme) Redakteurin  der „Zeit“: „Wir haben uns voll ins Knie geschossen.“ Ein anderer Redakteur gibt zu Protokoll: „Wir haben auf diese Art Wähler zum Aiwanger getrieben.“

 

Hintergrund: Die „SZ“ hatte im August über den Verdacht berichtet, wonach Hubert Aiwanger als 17-jähriger Schüler ein antisemitisches Flugblatt verfasst habe. Nach der Veröffentlichung bezichtigte sich aber dessen Bruder, der Verfasser gewesen zu sein. Kritiker warfen der „SZ“ daraufhin vor, die von ihr genannten Indizien rechtfertigten eine Verdachtsberichterstattung gegen den bayerischen Politiker nicht.