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Ein Leben für Gruner + Jahr - Angelika Jahr kontrolliert Vorstand

Im Aufsichtsrat hält sie künftig zusammen mit dem Geschäftsführer der Jahr-Holding, Burkhardt Schmidt, ein Auge auf den von ihrem Vater 1965 mitgegründeten Verlag, der mehrheitlich zum Medienkonzern Bertelsmann gehört.

Hamburg (dpa) - Vom 1. April an wird Angelika Jahr die Männerriege kontrollieren, der sie bis dato als einzige Frau selbst noch angehörte: den Vorstand von Gruner + Jahr. Im Aufsichtsrat hält sie künftig zusammen mit dem Geschäftsführer der Jahr-Holding, Burkhardt Schmidt, ein Auge auf den von ihrem Vater 1965 mitgegründeten Verlag, der mehrheitlich zum Medienkonzern Bertelsmann gehört. Über 25,1 Prozent der Anteile verfügen die Jahr-Erben, die von der früheren Chefredakteurin, Herausgeberin und Verlagsgeschäftsführerin von Zeitschriften wie «Essen & Trinken», «Schöner Wohnen» und «Dogs» vertreten werden.

«So, wie es mir immer viel Freude bereitet hat, journalistisch und publizistisch für diesen Verlag zu arbeiten, so freue ich mich jetzt auf die neue Aufgabe», kündigte das scheidende journalistische Vorstandsmitglied Angelika Jahr-Stilcken an. Fast 40 Jahre lang war sie im Verlag tätig, anfangs mit einem gewissen Unbehagen im väterlichen Betrieb: «Ich dachte immer, ich müsste beweisen, dass ich mehr bin als nur die Tochter des Verlegers.» Ein Studium der Psychologie, Germanistik und Philosophie war Jahrs Sache aber nicht, nach zwei Jahren brach sie es ab und volontierte bei der Tageszeitung «Die Welt». Bei US-Magazinen erwarb sie weiteres Wissen, kam 1969 als Redakteurin zum Hamburger G+J-Verlag - und legte los.

Zur Einführung einer Ess-Zeitschrift erntete die Journalistin 1972 vor allem eines - Kopfschütteln. «Frau Jahr, was wollen Sie denn eine Essen-und-Trinken-Zeitschrift machen? Da geht Ihnen doch spätestens nach zwei Jahren der Stoff aus», meinte «Stern»-Gründer Henri Nannen zu der jungen G+J-Kollegin. Ihre Durchsetzungskraft zahlte sich aus: Das monatliche Magazin fand etliche Nachahmer und ist 36 Jahre später im dicht besetzten «Food»-Markt mit einer verkauften Auflage von mehr als 200 000 Exemplaren vertreten. Auch bei der Zeitschrift «Schöner Wohnen» musste die Journalistin Kritik einstecken, diesmal von «Spiegel»-Gründer Rudolf Augstein: «Wenn alle Leute Möbel haben, dann brauchen sie keine Wohnzeitschrift mehr.» Eine Fehleinschätzung: Fast 290 000 Exemplare werden noch heute monatlich am Kiosk verkauft.

Für den «Lifestyle» hat Angelika Jahr stets ein sicheres Gespür bewiesen, selbst die 2006 eingeführte, von Medienkritikern belächelte Zeitschrift «Dogs» für Hundebesitzer verkauft rund 60 000 Exemplare. Als die Medien ins Internet gingen, hat sich die Managerin diesem Zeitgeist nicht verschlossen, sondern Online-Angebote früh als «perfekte Markenergänzung» gesehen. Auf abrufbare Rezepte im Netz folgten Kochvideos. «Wer jemals versucht hat, nach einem gedruckten Rezept zu kochen, der weiß, wie kompliziert das ist. Das Video begreift man sozusagen auf einen Blick.»

Die Aufmerksamkeit der 66-Jährigen richtet sie nun auf das G+J- Kontrollgremium mit Bertelsmann-Chef Hartmut Ostrowski an der Spitze. Unmissverständlich und allen wiederkehrenden Gerüchten zum Trotz machte die Gesellschafterin jüngst klar, dass die Familie Jahr nicht plane, sich bei Gruner + Jahr zurückzuziehen. «Bevor wir verkaufen würden, würden wir eher noch ein bisschen zukaufen wollen, wenn man uns lässt», sagte Jahr bei der G+J-Jahrespressekonferenz - wohl wissend um ein milliardenschweres Familienvermögen und mögliche journalistische Nachfolger im eigenen Familienkreis.

Unter drei Brüdern musste sich Angelika Jahr von klein auf als Jüngste behaupten; die von Bruder John Jahr jr. im Jahr 2000 übernommene Vorstandsaufgabe bei G+J brachte ihr unter den Kollegen viel Anerkennung insbesondere wegen ihres Engagements für einen qualitätsorientierten Journalismus ein. «Ich beschäftige mich lieber mit Zeitschriften als mit Zahlen. Von Haus aus und in meiner Seele bin ich vor allem Journalistin und Blattmacherin», sagt Jahr über sich. Diesen Ansatz dürfte die «Verlegerin» auch im Aufsichtsrat verfolgen.