Unternehmen
Newsroom

Der Anfang vom Ende: Vor einem Jahr beantragte die Nachrichtenagentur dapd Insolvenz

War das Ende der Nachrichtenagentur dapd die unvermeidliche Folge einer Verkettung von Zufällen oder wurde es von den Eigentümern gezielt herbeigeführt? Diese Frage bewegt ehemalige dapd-Mitarbeiter und Beobachter der Medienbranche auch noch ein Jahr nach Beantragung des Insolvenzverfahrens Anfang Oktober 2012.

Berlin - Ihre Beantwortung interessiert vor allem, da es Verbindungen fast aller wichtigen Akteure in diesem Verfahren zu den beiden dapd-Gesellschaftern Peter Löw und Martin Vorderwülbecke gibt. Zu viele Ungereimtheiten begleiteten das überraschende Aus der Agentur. Zu unerklärlich bleibt das Verhalten von Gesellschaftern, Amtsgericht, Insolvenzverwaltern und Interims-Geschäftsführungen in dem gesamten Verfahren.

Unser Autor Rainer Höhling war bei der dapd Stellvertreter des Chefredakteurs und Leiter der Textdienste. Für Newsroom.de schreibt er in einem Gastbeitrag aus seiner persönlichen Sicht über das Ende der Nachrichtenagentur, deren Angebot heute in vielen Redaktionen vermisst wird.

Die Mitteilung über die Zahlungsunfähigkeit der Agentur hatte Mitarbeiter und Öffentlichkeit ohne jede Vorwarnung getroffen. Erst seit September 2010 unter dem Kürzel dapd am Markt agierend, war sie von den beiden Finanzinvestoren Löw und Vorderwülbecke aus dem branchenweit hochangesehenen deutschen Dienst von AP und dem nach Rückschlägen wieder stabil schwarze Zahlen schreibenden Deutschen Depeschendienst (ddp) gebildet worden.

Im letzten Jahr vor der Zusammenführung hatten die beiden Vorgängeragenturen zusammen einen Umsatz von rund 25 Millionen Euro erwirtschaftet.

Die rasante Expansion der Agentur mit dem Aufbau einer großen Sportredaktion, eines Videodienstes und weiterer neuer Geschäftsfelder, mit zehn neuen Korrespondentenbüros in Deutschland und dem Ausbau des Hauptsitzes in der Berliner Reinhardtstraße nahe Bundestag und Bundeskanzleramt erforderte zweifellos größere Finanzmittel, als durch die Kundenverträge erlöst wurden.

Hinzu kamen unter anderem die Lizenzgebühren für die Nutzung und Verwertung des AP-Weltdienstes in Text und Bild, die Branchenbeobachter auf mehr als drei Millionen Euro im Jahr schätzten.

Mancher der ehemaligen ddp-Mitarbeiter, die bereits 2004 die Insolvenz ihrer Agentur nach einem ähnlich stürmischen Wachstum während der Zugehörigkeit zur ProSiebenSat.1 AG erlebt hatten, äußerte leise Zweifel an der Dauerhaftigkeit der umfangreichen „Subventionen“ durch die beiden Eigentümer. Doch diese beruhigten Mitarbeiter und Öffentlichkeit, indem sie sich wiederholt dazu bekannten, die Entwicklung der Agentur über mehrere Jahre aus eigener Tasche zu finanzieren.

Neuer Geschäftsführer beantragt Insolvenzverfahren

Als Chefredakteur und Geschäftsführer Cord Dreyer am Dienstag, dem 2. Oktober, für 12.00 Uhr elektronisch zu einer Beratung einlud, glaubten Mitglieder der Chefredaktion deshalb, es handele sich lediglich um die wegen des bevorstehenden Feiertags vorverlegte Wochenkonferenz, die üblicherweise an einem Mittwoch stattfand. Dass sie im Irrtum waren, wurde ihnen beim Betreten des Konferenzraums im 7. Obergeschoss der dapd-Zentrale, wegen der Farbe seiner ledernen Sitzmöbel als „White Lounge“ bezeichnet, schlagartig bewusst.

Der Grabesstille im Raum und den tiefernsten Mienen der Anwesenden war der außergewöhnliche Anlass der Zusammenkunft zu entnehmen. Jeder der Eintretenden wurde von einem Mann im schwarzen Anzug mit Handschlag begrüßt.

 

Vom Markt verschwunden - die Nachrichtenagentur dapd.

 

Er stellte sich als der neue dapd-Geschäftsführer Wolf-Rüdiger von der Fecht von der Düsseldorfer Kanzlei Metzeler von der Fecht vor. Dreyer teilte mit, seine Ämter niedergelegt zu haben, jedoch noch eine Zeit lang als Berater des neuen Geschäftsführers zur Verfügung zu stehen.

Zwei Stunden später beantragte Rechtsanwalt von der Fecht beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg für die meisten der die Nachrichtenagentur dapd bildenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) Insolvenzverfahren in der relativ neuen Form der Eigenverwaltung.

Dass der Antrag vom Gericht bewilligt wurde, ist eine der Merkwürdigkeiten der dapd-Abwicklung. Denn dieses spezielle Insolvenzverfahren setzt eigentlich darauf, dem alten Management die Chance auf einen Neuanfang zu eröffnen, indem es mittels Insolvenzgeld für drei Monate von den Gehaltszahlungen für die Mitarbeiter entlastet wird. Von der Fecht war erst fünf Tage zuvor von den beiden dapd-Gesellschaftern als Geschäftsführer eingesetzt worden.

In der in seiner Heimatregion erscheinenden „Neusser-Grevenbroicher Zeitung“ hieß es, er habe mehr als 2000 Insolvenzverfahren begleitet.

Doch im Falle von dapd verfügte er weder über detaillierte Betriebskenntnis noch über ausgewiesene Beziehungen zur Medienbranche. Die beiden dapd-Eigentümer hatten mit ihm bei der Integration des insolventen Düsseldorfer Modehauses Wehmeyer in die Modekette Adler zu tun, die ihnen zu großen Teilen gehörte.

Hatte sich das Gericht vor seiner Entscheidung über von der Fechts Eignung für ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eines Medienunternehmens informiert?

Unerklärlicher Sinneswandel bei den dapd-Eignern

Am späten Nachmittag desselben Tages setzte Vorderwülbecke im Seminarraum im Erdgeschoss der dapd-Zentrale die Belegschaft offiziell von der Einleitung des Insolvenzverfahrens in Kenntnis.

Die beiden Gesellschafter hätten beschlossen, das bei dapd jeden Monat auflaufende Defizit von einer Million Euro nicht länger aus ihrem Privatvermögen auszugleichen, begründete er die Zahlungsunfähigkeit der Agentur. Dies galt bereits für September und damit für die Gehaltszahlung des zurückliegenden Monats.

Seine Erklärung für den Zeitpunkt des Insolvenzantrags, die Großkunden ARD, ZDF und Bundespresseamt hätten der Nachrichtenagentur dapd bei der Honorierung ihrer Leistungen die Gleichbehandlung mit dem Marktführer Deutsche Presse-Agentur (dpa) verweigert, erschien den Mitarbeitern unglaubhaft.

Denn die beiden Gesellschafter mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung bei der Sanierung von Unternehmen konnten nicht ernsthaft darauf gesetzt haben, kurzfristig zusätzliche Millionen von diesen Kunden zu erlösen.

Knapp drei Wochen zuvor hatte Vorderwülbeckes Mitgesellschafter Löw bei seiner Rede zum Sommerfest nur zehn Meter entfernt gestanden und dapd als Keimzelle einer „mitteleuropäischen Gesamtagentur“ gepriesen, für die neben Frankreich „Verhandlungen in Italien, in Spanien und in Polen“ geführt würden.

Hätten 2010 die beiden Vorgängeragenturen AP und ddp sowie ab viertem Quartal die neue Agentur dapd zusammen noch einen Umsatz von 27 Millionen Euro erzielt, so seien es 2011 bereits 32 Millionen Euro gewesen, und für 2012 würden 50 Millionen Euro erwartet.

Es war das letzte Mal, dass Peter Löw in der dapd-Zentrale gesehen wurde.

Die Beantwortung der Frage, wie der schnelle Sinneswandel bei den beiden Gesellschaftern zu erklären ist, führt ins Spekulative, denn es gibt ihrerseits dazu keine öffentlichen Äußerungen.

Bekannt ist, dass Löw sich etwa zu Sommerbeginn unmittelbar in die Vertriebstätigkeit der Agentur einschaltete und persönlich Großkunden besuchte. Bis dahin hatte er eher im Hintergrund agiert und Vorderwülbecke den Part des für dapd zuständigen Gesellschafters überlassen, sich aber bei besonderen Anlässen die öffentliche Repräsentation der Agentur vorbehalten.

Möglicherweise brachten weder seine Kundenkontakte den erhofften Umsatzzuwachs noch seine Lobrede auf dem Sommerfest das erwünschte Echo. Doch anstatt der Agentur nun den eventuell rettenden Sparkurs zu verordnen, entschloss er sich zum sofortigen Ausstieg durch Alimentierungsstopp.

Geschäftszahlen unbestimmter Herkunft

Nachvollziehbar wäre dies, wenn die von dem durch das Amtsgericht eingesetzten Sachwalter und späteren Insolvenzverwalter Christian Köhler-Ma in einer Vielzahl von Arbeitsgerichtsverfahren vorgetragenen Geschäftszahlen zuträfen.

Danach hätte die dapd-Gruppe in den ersten acht Monaten 2012 einen Umsatz von lediglich „etwa 9,2 Millionen Euro“ erwirtschaftet, was aufs Jahr hochgerechnet 13,8 Millionen Euro bedeutete.

Damit hätte dapd innerhalb von zwei Jahren einen Umsatzeinbruch von nahezu 50 Prozent erlitten. Der Verlust von Januar bis August 2012 wurde von Köhler-Ma auf 2,0 Millionen Euro beziffert. Dies entspräche einem durchschnittlichen monatlichen Defizit von 250.000 Euro und wäre damit weit entfernt von der Million, die Vorderwülbecke der Belegschaft genannt hatte.

Jedoch erscheinen mir die von Rechtsanwalt Köhler-Ma vorgetragenen Geschäftszahlen insgesamt nicht plausibel.

Für die ersten acht Monate 2012 bezifferte er die Personalkosten für die dapd-Gruppe auf 6,628 Millionen Euro, was im Monatsdurchschnitt 828.500 Euro entspricht. Damit entfielen auf jeden der rund 300 festangestellten Mitarbeiter monatlich etwa 2.760 Euro einschließlich des Sozialversicherungsanteils des Arbeitgebers, also rund 2.300 Euro brutto.

Für derartige Jungredakteursgehälter hätten sich wohl kaum innerhalb weniger Monate Dutzende von hochqualifizierten Redakteuren bei dapd einstellen lassen.

Es scheint, als handele es sich bei den von Köhler-Ma in den Arbeitsgerichtsverfahren verwendeten Zahlen nicht um die der gesamten dapd-Gruppe, sondern nur um die einer der beiden wichtigsten Gesellschaften, der dapd nachrichtenagentur GmbH (vormals AP) oder der dapd nachrichten GmbH (vormals ddp).

Die Frage ist, ob diese Zahlen durch ein Versehen oder absichtlich falsch eingesetzt wurden und ob mit ihnen auch außerhalb der Arbeitsgerichtsverfahren operiert wurde.

Köhler-Ma kannte Löw und Vorderwülbecke mindestens seit dem Herbst 2004.

Als Insolvenzverwalter der zahlungsunfähigen ddp Nachrichtenagentur GmbH hatte er damals unter einer Handvoll Interessenten für die ddp-Übernahme der Arques Industries AG mit Sitz in Starnberg den Zuschlag gegeben. Vorstandsvorsitzender von Arques war zu dieser Zeit Löw, Mitglied des Vorstandes Vorderwülbecke. Kurz nach Neugründung der Agentur als ddp Deutscher Depeschendienst GmbH im November 2004 setzte ein rasanter Kursanstieg der Arques-Aktie ein, der den Aktionären, darunter Löw und Vorderwülbecke, gigantische Gewinne bescherte.

Acht Jahre später war Köhler-Ma wieder mit der Insolvenz einer Nachrichtenagentur befasst. Diesmal standen Löw und Vorderwülbecke auf der anderen Seite.

Wenig kontaktfreudiger Interims-Geschäftsführer

An von der Fechts Amtsführung war in der Rückschau auffällig, dass er seine seltenen Kontakte zu dapd-Redakteuren auf wenige ausgewählte Mitarbeiter „aus der zweiten oder dritten Reihe“ beschränkte, wie er es in dem oben genannten Zeitungsartikel formulierte - was in der Insolvenzphase aber als nicht ungewöhnlich erschien.

Er wird in dem Beitrag denn auch damit zitiert, „im Redaktionsbereich die Treppe von oben gekehrt“ zu haben.

Dass er jedoch keine der von ihm selbst auf fünf bis sechs bezifferten ernsthaften Anfragen von Unternehmen und Institutionen, die ihr Interesse an der Übernahme der Nachrichtenagentur bekundeten und dazu einschlägige Informationen erbaten, in ein wenigsten bescheidenes Engagement überzuleiten vermochte, ist verwunderlich.

Weitgehend unbeantwortet und wohl auch ungelesen blieben ferner die nach Aussage seines Umfelds rund 100 E-Mails von dapd-Mitarbeitern mit Vorschlägen zur konzeptionellen Weiterentwicklung der Agentur, die er selbst mehrfach angeregt hatte.

Nachdem sich Dreyer, der schon einen Monat lang ohne Amt war, am Morgen des 1. November von den Mitarbeitern verabschiedet hatte, ernannte von der Fecht in einer Blitzaktion aus der Ferne seiner Düsseldorfer Kanzlei Nachrichtenchefin Melanie Ahlemeier und Bildchef Dirk von Borstel zur neuen Chefredaktion. Ahlemeier, mit genau zwanzigmonatiger Agenturzugehörigkeit relativ unerfahren, verstand sich als Text-Chefredakteurin und von Borstel, der seine Funktion schon über zehn Jahre inne hatte, als Bild-Chefredakteur.

Zweifelhafte Begleitumstände der Kündigungen

Unmittelbar vor der für Anfang Dezember anberaumten Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte der Geschäftsführer 98 Mitarbeitern der dapd-Gruppe, darunter 61 Textredakteure und 6 Bildredakteure bzw. Fotografen.

Entlassen wurden fast alle Sportredakteure und im Vergleich zum Basisdienst unverhältnismäßig viele Redakteure der Landesdienste, wodurch der Umfang der Berichterstattung aus der Fläche schlagartig zurückging.

Nicht wenige der Gekündigten zählten zu den Leistungsträgern der Agentur.

Die Entlassungen führten dazu, dass die Verträge mit den Kunden nicht mehr im vereinbarten Umfang erfüllt werden konnten, was wiederum deren Forderung nach Preisnachlässen für die dapd-Dienstleistungen nach sich zog oder sie zur frühestmöglichen Kündigung dieser Dienste bewog.

Die Mehrzahl der Entlassenen fühlte sich durch die Begleitumstände der Kündigungen schon aus Selbstachtung zu Kündigungsschutzklagen veranlasst.

Dies lag zum einen daran, dass die Maßnahmen zur Qualifizierung oder Weiterbildung der nicht weiter beschäftigten Mitarbeiter, wie sie in dem mit dem Betriebsrat unterzeichneten „Interessenausgleich“ vorgesehen waren, nur auf dem Papier standen.

Zum anderen bediente man sich einer zumindest zweifelhaften Methode, um zu belegen, dass die Arbeitsplätze der Mitarbeiter der Agentur nicht miteinander vergleichbar seien und den Entlassenen deshalb keine andere Arbeit angeboten werden könne.

Die vier Kriterien der Sozialauswahl – Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen und Schwerbehinderung – konnten auf diese Weise weitgehend unberücksichtigt bleiben.

Denn die Tätigkeiten der rund 300 festangestellten Mitarbeiter der dapd-Gruppe wurden für eine „horizontale Sozialauswahl“ 122 unterschiedlichen Ebenen zugeordnet. Allein die 98 zu kündigenden Mitarbeiter waren auf 63 Ebenen verteilt, von denen die der Sportredakteure mit 21 Betroffenen am größten war. Auf einer gesonderten Ebene waren die – ebenfalls zur Sportredaktion gehörenden – vier Leiter der Sportbüros im Hamburg, Düsseldorf, Leipzig und München erfasst. 51 der Entlassungskandidaten befanden sich jeweils allein, acht zu zweit und zwei zu dritt auf einer Ebene.

Welche grotesken Züge die Zuordnung teilweise trug, zeigt die bemühte Vielfalt der Tätigkeitsbeschreibungen von vier Mitarbeitern der Videoredaktion, denen jeweils eine eigene Ebene zugewiesen wurde, obwohl sich ihre Arbeit nicht unterschied: Videojournalist, Videoredakteurin, Videoreporter, Redakteurin Multimedia.

Das gesamte Verfahren war so fehleranfällig und tatsächlich auch fehlerhaft, dass sich 64 der 98 Entlassenen zu Klagen vor den zuständigen Arbeitsgerichten entschlossen.

Weichen in Richtung Auflösung der Agentur gestellt

Von der Fechts Ausflug in die Medienbranche endete knapp zwölf Wochen nach seiner Einsetzung als Geschäftsführer durch die dapd-Eigentümer.

 

Zur Person: Unser Gastautor Rainer Höhling, geboren 1950 in Wörlitz, war 36 Jahre Mitarbeiter der Nachrichtenagentur mit ihren verschiedenen Vorgängern ADN, ddpADN und ddp. Ab 1995 leitete er das Ressort Wirtschaft, wurde 1997 zum stellvertretenden Chefredakteur Wirtschaft berufen, baute in den Jahren 1997 und 1998 die Wirtschaftsnachrichtenagentur ADX auf, leitete ab 2001 deren Nachfolger ddp.vwd, ein Joint-Venture dieser beiden Agenturen, als Redaktionsleiter und schließlich auch als Geschäftsführer, übernahm parallel dazu ab Februar 2003 als Stellvertreter des ddp-Chefredakteurs die operative Leitung der Nachrichtenagentur ddp sowie die Leitung aller ihrer Textdienste. Als Stellvertreter des Chefredakteurs kümmerte er sich ab September 2010 um verschiedene Sonderaufgaben, unter anderem 25 Projekte zur Zusammenführung der Nachrichtenagenturen AP und ddp. Ab Juli 2012 war Rainer Höhling für die Qualitätssicherung der dapd-Texte zuständig.

 

Es mag sein, dass dapd am 1. Dezember, dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, tatsächlich eine „schwarze Null“ schrieb.

Doch hatte sich die Agentur strukturell so verändert, dass sie nach Einschätzung von Beobachtern nicht mehr wettbewerbsfähig war. Es gab keinen Investor, der dies eventuell hätte ändern können. Zudem war der Vertrag über den Bezug des AP-Weltdienstes, der für eine qualifizierte Auslandsberichterstattung unentbehrlich war, durch Zahlungsverzug bei den Lizenzgebühren gefährdet worden.

Von der Fecht war nach eigener Aussage davon ausgegangen, dass bei einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung alle bestehenden Verträge mit Zulieferern und Dienstleistern von deren Seite nicht gekündigt werden konnten. Das hatte die AP-Zentrale in New York wohl anders gesehen und die Belieferung nach Ausbleiben der dapd-Zahlungen eingestellt. Zwar konnte von der Fecht den Lieferstopp durch eine einstweilige Verfügung aufheben.

Doch Sachwalter Köhler-Ma fürchtete offenbar langwierige und vor allem teure juristische Auseinandersetzungen mit den Amerikanern und einigte sich mit ihnen auf die Einstellung der Vertragsbeziehungen zu Ende Januar 2013. Es mag bei ihm auch die Überlegung eine Rolle gespielt haben, dass das Honorar für den AP-Weltdienst im Umfang von etwa 15 Prozent der gesamten dapd-Einnahmen unverhältnismäßig hoch sei und das dapd-Budget zu sehr belaste.

Am 19. Dezember ging der Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung beim Amtsgericht ein, dem dieses am 4. Januar 2013 entsprach.

Zum Insolvenzverwalter in dem nunmehr als Regelinsolvenz betriebenen Verfahren bestellte das Gericht Köhler-Ma. Dieser lud für den 21. Dezember, nur zwei Tage nach dem Abgang von der Fechts, zu einer Pressekonferenz in die dapd-Zentrale ein, auf der er Ulrich Ende als den künftigen Geschäftsführer einer dapd-Nachfolgeagentur vorstellte.

Auch dieser war den beiden Alt-Gesellschaftern Löw und Vorderwülbecke kein Unbekannter.

Er hatte sich in ihrem Auftrag Anfang 2010 vergeblich darum bemüht, für den noch bestehenden ddp einen Fernsehdienst aufzubauen.

Ende berichtete nun, mehrere mittelständische Investoren für die Fortführung von dapd gewonnen zu haben, die insgesamt zwei bis vier Millionen Euro bereitstellen wollten – eine für den Wiederaufbau der Agentur völlig unzureichende Summe. Die Unterschriften unter den Kaufvertrag würden spätestens Anfang des neuen Jahres geleistet, versicherte Köhler-Ma.

Zweite Insolvenz besiegelt das Ende

Doch weder im Januar noch später vermeldete der Insolvenzverwalter Vollzug eines ordnungsgemäßen Verkaufs von dapd an die von Ende gegründete dapd Nachrichtenagentur Beteiligungs GmbH mit Sitz in Tutzing.

Zwar übernahm Ende mit Wirkung vom 1. Februar 2013 die meisten der verbliebenen Mitarbeiter aus den acht insolventen dapd-GmbHs in seine Gesellschaft. Aber schon die Februargehälter konnte er ihnen nicht auszahlen.

Es ist zu vermuten, dass Endes Beteiligungs GmbH keine juristische Befugnis zur Einziehung der Honorare bei den dapd-Kunden besaß und folglich mittellos war. Denn die Investoren standen laut Medienberichten nicht einmal zu ihren im Dezember verkündeten geringen finanziellen Zusagen.

So beantragte am 1. März auch die dapd Nachrichtenagentur Beteiligungs GmbH beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg ein Insolvenzverfahren.

In Ermangelung eines Betriebs, der die im November entlassenen 98 ehemaligen dapd-Mitarbeiter hätte wieder einstellen können, entfiel damit auch die Grundlage für deren Kündigungsschutzklagen.

Die Klagen auf Löw und Vorderwülbecke auszuweiten, hielten Anwälte der Entlassenen arbeitsrechtlich für aussichtslos.

Für die beiden dapd-Alt-Gesellschafter war das Thema dapd damit beendet, ohne dass sie finanziell zu weiteren Leistungen herangezogen werden konnten.

Auch unter der vom Gericht bestellten Insolvenzverwalterin Petra Hilgers, einer Kommilitonin Löws aus seinem Jurastudium, wiederholte sich die Nichtbeachtung von Anfragen potenzieller Investoren.

Bekannt wurde der Fall der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti, die laut Presseberichten erst Anfang April zu Verhandlungen eingeladen wurde, als eine Entscheidung über die Zukunft von dapd innerhalb weniger Tage getroffen werden musste.

Kurzfristige Entscheidungen sind bei Staatsunternehmen wohl nicht nur in Russland kaum herbeizuführen, so dass diese letzte Chance für dapd dahinschmolz. Eine staatliche russische Nachrichtenagentur als Eigentümerin wäre dem deutschen Medienmarkt wohl ohnehin nicht zu vermitteln gewesen.

dapd stellte am 11. April 2013 um 17.00 Uhr den Betrieb ein, und auch die verbliebenen etwa 170 festangestellten und mehr als 200 freien Mitarbeiter verloren mit ihrer Beschäftigung ihre Einkommen.

Damit endete nicht nur die zweieinhalbjährige Geschichte von dapd, sondern auch die der Vorgänger-Agenturen.

Sie konnten auf Traditionen verweisen, die bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zurückreichten. Zunächst war der deutsche Dienst von AP gegründet worden, dem 1946 der von UP, später UPI, folgte.

Aus Letzterem ging 1971 der Deutsche Depeschendienst mit seiner bewegten Geschichte hervor. Ohne dessen 1992 vollzogene Fusion mit der ehemaligen DDR-Nachrichtenagentur ADN, die ebenfalls 1946 gegründet worden war, hätte ddp nicht bis zur Insolvenz 2004 bestehen können.

Die Entscheidung Löws und Vorderwülbeckes, die von ihnen ins Leben gerufene Nachrichtenagentur dapd im Stich zu lassen, führte zu einem drastischen Rückgang der Vielfalt im deutschen Medienmarkt – dabei hatten sie deren Bewahrung stets als gesellschaftspolitische Begründung ihres Engagements genannt.

Rainer Höhling

Ihre Erinnerungen an die Nachrichtenagentur dapd schicken Sie gerne per E-Mail an chefredaktion@newsroom.de.