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Austräger Wilfried Döring über das Ende der eigenen „Tip-der-Woche“-Verteilung: „Kaufland will Mindestlohn vermeiden“

Gegenüber NEWSROOM hatte Kaufland-Sprecherin Andrea Kübler erklärt, dass das Unternehmen nicht wegen der Einführung des Mindestlohns für Zusteller auf die eigene Verteilung verzichten will. Dass sieht ein langjähriger Austräger aber anders. Von Bülend Ürük.

Heilbronn - Wer in der Nähe einer Kaufland-Filiale wohnt, dürfte ihn jede Woche im Briefkasten haben: den "Tip der Woche". Der zuständige Verlag lagert die Zustellung aus - und entlässt bundesweit 55.000 Mini-Jobber. Das hatte NEWSROOM zuerst gemeldet.

Die Werbezeitungen, die auch einige redaktionell anmutende Seiten enthalten, sollen künftig nur noch über externe Dienstleister verteilt werden.

 

Gerne gelesen wegen der Anzeigen, aber auch wegen der bunten redaktionellen Inhalte wird der "Tip der Woche". Gegenüber NEWSROOM berichtet ein langjähriger Austräger, dass Kaufland die eigene Zustellung wegen des baldigen Mindestlohns für Zusteller aufgibt. NEWSROOM-Foto: Bülend Ürük

 

 

Im Gespräch mit NEWSROOM betonte Sprecherin Kübler, dass die Entscheidung gegen die eigene Verteilung nicht mit dem Mindestlohn, der ab 2017 auch für Zusteller gilt, in Verbindung stehe: „Es wurde vertraglich sichergestellt, dass die Mitarbeiter der externen Dienstleister ab Januar 2015 - soweit anwendbar - entsprechend den Regelungen zum gesetzlichen Mindestlohn bezahlt werden.“

Lange Jahre hat Wilfried Döring aus Günzenhausen den „Tip der Woche“ ausgetragen. Er widerspricht in einem Brief an NEWSROOM Kaufland-Sprecherin Kübler.

Wilfried Döring schreibt:

„Auch ich gehöre zu den 55.000 Betroffenen. Aus langjähriger eigener Anschauung kann ich wohl mitreden.


Seit über 13 Jahren wird in unserem Teil-Ort der Tip verteilt und seitdem macht das unsere Familie. Zuerst hatte ich den Vertrag, nach kurzer Überbrückung mit Erreichen der Altersgrenze meine Söhne und heute wieder ich. Meine beiden Verträge von mir liegen vor und nur durch krasses Taktieren habe ich heute denselben Stück-Lohn wie damals gehalten!!

Die Zulagen für Beilagen und Mehrgewicht haben sich allerdings auch für mich seit damals unausweichlich negativ verändert. Eine negative Einkommensentwicklung "von Oben" ist ganz offensichtlich.

In der Konsequenz ist es zu diesen - sinkenden - Preisen immer schwieriger neue Zusteller zu finden und ich weiß in unserer Gegend um die Zahl der Bezirke ohne (feste) Verteiler. Ich meine, dass Kaufland schon bis jetzt nicht bereit war angemessene Löhne zu bezahlen und der Schritt nur die rechtzeitige Umgehung des Mindestlohnes auf Dauer ist. Zu den Absichterklärungen von der Kaufland-Sprecherin Kübler in Ihrem Artikel bezweifle ich die Nachhaltigkeit derartiger Versprechen - die uns "Alten" auch nichts nützen.

Konkret zu mir: Bei 375 Exemplaren pro Lieferung im sehr ländlichen Bereich brauche ich am Freitag etwa ein Stunde zum Kommissionieren/Einlegen und am Samstag 4 Stunden zum Verteilen. Dafür gibt es je nach Anzahl und Gewicht 19 - 22 Euro pro Woche. Seit 3 Monaten (!) stecke ich im sehr kleinen Nachbort als Urlausvertretung (!) in einer weiteren halben Stunde nochmals 30 Stück ein. Zum normalen Preis wurde mir dafür irgendeine Fahrkostenerstattung/Beihilfe für den Mehr-Weg - in den Nachbarort - angeboten. Bis jetzt konnte ich deren Existenz - trotz Einschaltung der gerade heftig wechselnden Gebietsbetreuer - nicht feststellen.

Das führt mich zurück zu meiner Meinung: Ich meine es geht nur und ausschließlich um die Vermeidung der Zahlung des kommenden Mindestlohnes, dessen Diskussion man jetzt schon vermeiden will. Bereits mit den aktuellen Lohnangeboten ist es nicht möglich - in unserer Gegend - die Bezirke dauerhaft und vernünftig zu besetzen“, so Wilfried Döring.

Vor über 30 Jahren war der erste „Tip der Woche“ erschienen, damals noch für einen einzigen „Kaufland“. Damals sorgten 600 Zusteller für den reibungslosen Vertrieb. Das Werbeblatt, deren Redaktion innerhalb des Unternehmens die Kaufland-Werbeabteilung stemmt, wird fast überall am Samstag verteilt. Die Verteilbezirke seien so klein, erklärte Andrea Kübler gegenüber NEWSROOM, dass die Zusteller im Schnitt 17 Euro in der Woche verdienen würden.

Bülend Ürük

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