Print
DPA

Serie Deutschsprachige Medien im Ausland (Teil 5): "Yakinton": Älteste Zeitschrift deutschsprachiger Juden in Israel

Viele deutsche Juden fühlten sich in Israel wie "nach Hause vertrieben". Zu groß war die kulturelle Kluft zwischen der alten und der neuen Heimat. Für sie ist das Blatt "Yakinton" ein Rückzugsort.

Tel Aviv (dpa) - Der Chefredakteur der ältesten deutschsprachigen Zeitschrift Israels sieht sich auf einer "moralischen Mission". "Solange es noch einen einzigen Leser gibt, der das Blatt von links aufschlägt, mache ich weiter", sagt Michael Dak, der für den Inhalt des "Yakinton" verantwortlich ist. Hebräische Zeitungen und Bücher werden von rechts geöffnet.

Die 1932 als "Mitteilungsblatt" gegründete zweisprachige Zeitschrift hat eine ständig schrumpfende Leserschaft - einfach weil die aus Deutschland eingewanderten älteren Juden sterben und ihre Nachkommen nicht immer Deutsch sprechen.

In den Gründerjahren war es vor allem ein Informationsblatt für deutschsprachige Juden in Palästina. "Es war eine Art WhatsApp der damaligen Zeiten", erklärt der weißhaarige Mann lachend. Dak selbst ist 1947 in Jerusalem geboren, seine Eltern stammen aus dem Gebiet der früheren Tschechoslowakei und sprachen auch Deutsch - zusammen mit einem halben Dutzend anderer Sprachen. "Als Kind habe ich fünf Jahre lang in Österreich gelebt, weil mein Vater Diplomat war - eine sehr prägende Zeit."

Heute ist der "Yakinton" eher ein Themenheft, das sich mit immer neuen politischen und kulturellen Fragen beschäftigt. Das Motto der jüngsten Mai/Juniausgabe lautet "Frauen, Jüdinnen, Heldinnen". Von rechts erscheinen die Artikel auf Hebräisch, von links auf Deutsch. Der Titel "Yakinton" ist ein Wortspiel: Es ist der hebräische Name für Hyazinthe, erinnert aber auch an die "Jeckes" - die aus Deutschland eingewanderten Juden. Teil der Redaktion sind Autoren, die sich mit Deutschland auskennen, wie etwa der Historiker Mosche Zimmermann.

Der "Yakinton" erscheint im Rahmen der Vereinigung von Israelis mitteleuropäischer Herkunft rund sieben Mal im Jahr, also alle ein bis zwei Monate. Das Jahresbudget für die Zeitschaft beträgt nach Angaben der Leiterin der Organisation in Tel Aviv, Devorah Haberfeld, rund 100 000 Euro. "Wir verdienen auch ein bisschen mit Anzeigen", sagt die Frau mit dem kurzen roten Haar. Der Rest werde mit Spenden finanziert.

Die Auflage liegt bei 3500 Exemplaren. Sie werden vor allem in Altersheime geliefert, in denen viele deutschsprachige alte Leute leben, etwa Beit Moses in Jerusalem. "Viele Zeitungen gehen durch mehrere Hände, also haben wir wahrscheinlich rund 10 000 Leser (der Druckausgabe)", erklärt Dak.

Bei einer Abstimmung vor einigen Jahren waren zwei Drittel der Leser dagegen, die gedruckte Version mit einer reinen Online-Version zu ersetzen. Seitdem stellt die Organisation den "Yakinton" - mit zeitlicher Verzögerung - parallel dazu ins Netz. "Die Online-Version lesen Zehntausende", sagt Haberfeld. "Aber eine Zeitung ist ein Verlustgeschäft." Es gebe trotzdem keine Pläne, auch für die Online-Version Geld zu verlangen.

In Deutschland hat das gedruckte Blatt nach Angaben von Dak nur sehr wenige Leser. Es kostet dort zehn Euro, in Israel 35 Schekel (rund acht Euro) für Nichtmitglieder der Organisation. Große Expansionsmöglichkeiten in Deutschland sehen weder Dak noch Haberfeld.

Dak betont, die Zeitung wende sich konkret an Israelis, die aus dem deutschsprachigen Kulturraum stammen. "Es ist aber kein Mitteilungsblatt von Emigranten, die sich nach Hause zurücksehnen", sagt er. Er sieht die Zeitschrift als "Ausdrucksmöglichkeit für den tiefen Riss, den die Auswanderung aus dem Vaterland in das Land der Väter verursacht hat". Das Blatt beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen der deutsch-jüdischen Kultur und weniger mit Tagesaktualität. Eine der kommenden Ausgaben widmet sich etwa dem 50. Todestag des in Wien geborenen Religionsphilosophen Martin Buber.

Die jüdische Schriftstellerin Ada Brodsky habe das Gefühl vieler deutscher Immigranten in Israel als "nach Hause vertrieben" beschrieben, sagte Dak. "Es war ein Schock: Das grelle Licht, die Hitze, der unromantische Orientalismus." Viele hätten nie richtig Hebräisch gelernt. Für sie sei die Zeitung wie ein Rückzugsort in ihren ursprünglichen Kulturraum gewesen. Viele der Leser seien heute in ihren Neunzigern. "Auch die zweite Generation liest uns noch", sagt Dak. "Jetzt hoffen wir auf die dritte Generation."