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DPA/Von Carsten Rave

Vor zehn Jahren starb "Kuli": Die TV-Branche zehrt von Erinnerungen

Der neben Peter Frankenfeld und Hans Rosenthal berühmteste deutsche Show- und Quizmaster lebte in einer Schutzzone seiner Branche.

Hamburg (dpa) - Manchmal stand er Sekunden lang vor einer Kandidatin, schaute sie verschmitzt an und drehte eine kleine Runde um sie herum. Dann ließ er mal eine leicht frivole Bemerkung über ihre Augen, ihre Lippen oder das Dekolleté fallen. Proteste? Sie hielten sich in Grenzen. "Kuli" durfte das. Der neben Peter Frankenfeld und Hans Rosenthal berühmteste deutsche Show- und Quizmaster lebte in einer Schutzzone seiner Branche. Die Kritik konnte ihm nichts anhaben. Hans-Joachim Kulenkampff, der am 14. August vor zehn Jahren bei Salzburg starb, prägte die Fernsehunterhaltung im Nachkriegsdeutschland wie kein anderer.

Der 1921 in Bremen geborene Charmeur moderierte von 1964 bis 1969 und von 1979 bis 1987 insgesamt 43 Mal sein berühmtes Quiz "Einer wird gewinnen" (EWG) mit Kandidaten aus acht Ländern der Europäischen Gemeinschaft. Der Versuch der ARD, nach Kulenkampffs Tod die Sendung zu reanimieren, scheiterte an der abweisenden Haltung des Publikums. Wetterfrosch Jörg Kachelmann als Nachfolger des großen "Kuli" - nein, das passte den Zuschauern, die noch ihren "Kuli" liebten, nicht. Die ARD musste ihren Versuch aufgeben, "EWG" mit Gewalt neues Leben einzuhauchen.

Noch während Kulenkampff seinen Klassiker zum zweiten Mal in den achtziger Jahren moderierte, entstanden die neuen deutschen Privatsender und erfanden neue bunte TV-Formate, die aber alle an traditionelle Muster anknüpften: Man nehme einen Moderator, Kandidaten, erfinde Spiele und mixe alles durcheinander. Es konnte bei RTL oder Sat.1 natürlich alles viel schriller sein als bei der ARD, aber in den Augen der "TV-Dinosaurier" wie "Kuli" auf geringerem Niveau: "Als wir angefangen haben mit dem Fernsehen, wollten wir ein Viersterne-Restaurant aufmachen - nun haben wir eine Kette von Imbissbuden", klagte er einmal.

In eine dieser Imbissbuden verschlug es den passionierten Segler dann doch einmal. RTL-plus-Chef Helmut Thoma, dessen Sender zunehmend Geld verdiente, köderte Kulenkampff nach dessen Ausscheiden mit einem dicken Scheck und einem kleinen Hobby des Publikumslieblings: Für RTL plus durfte Kulenkampff "Kulis Buchclub" präsentieren und sogar noch in einer Fernsehserie mitmachen. Doch die Zuschauer akzeptierten den Rollenwechsel nicht. Auch Kulenkampffs Zwischenspiel beim "Großen Preis" im ZDF, den er von Wim Thoelke übernahm, mochten die Fans nicht. Seine letzten Auftritte hatte er 1998 mit dem Quiz "Zwischen gestern und morgen" - aber nur noch in den Dritten Programmen.

Auch der große Kulenkampff beging während seiner Fernsehkarriere die gleichen Fehler wie viele seiner Nachfolger: Er konnte bei aller Beliebtheit nicht loslassen und hatte kein Gespür dafür, dass er Platz für Jüngere machen musste. Zum Schluss spielte auch der Körper nicht mit. Nach einer schweren Magenoperation verlor er 20 Kilo - die Moderation von "Zwischen gestern und heute" fiel ihm schwer. Noch im März 1998 sagte er bei seinem endgültigem Abschied vom TV im dpa- Gespräch, er gehe "ohne Groll". Wenn er die Möglichkeit hätte, einen Blick in die Privat-TV-Landschaft von heute zu werfen, könnte er zumindest ein klein bisschen Wut sicher nicht unterdrücken.