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Ulrich Reitz: Der richtige Mann für „Focus“

Manchmal muss ein Mensch fallen, um sich wieder aufrichten zu können. Ulrich Reitz ist der richtige Mann für den „Focus“. Ein Kommentar von Bülend Ürük.

München - Sein Auftritt, sein Habitus, seine Formulierungen - von allem zu viel. Ulrich Reitz sollte die „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ neu aufstellen, die auflagenstärkste Regionalzeitung Europas neu erfinden. So lautete im Kern die Aufgabe, die ihm Bodo Hombach als Geschäftsführer des früheren WAZ-Konzerns stellte.

Hombach freute sich diebisch, als er die Personalie Reitz endlich verkünden durfte. Hombach, der versierte Politiker, denkt wie ein Schachspieler. Wenn er setzt, dann bitte den Gegner schachmatt.

 


Er ist ganz schön grau geworden. Ulrich Reitz kehrt zurück in den Magazin-Journalismus. Der Vollblut-Journalist übernimmt ab dem 1. Oktober die Chefredaktion vom kränkelnden "Focus". Eine Mammut-Aufgabe, der sich der gebürtige Mönchengladbacher da stellt.

 

Dass eine Zeitung aber anders geführt werden, dass der Erste Journalist zum Blatt passen und nicht das Blatt erst zum Ersten Journalisten passend gemacht werden muss, konnte und wollte Hombach offensichtlich nicht glauben. Was für ein tragisches Missverständnis.

Reitz passt zu „Focus“

Der konservative Reitz bei der von Erich Brost sozialdemokratisch geprägten „WAZ“. Dieser Kontrast war einfach zu groß - für die Redaktion, für die Leser, ja selbst für die Landespolitik. Es ist ein Wunder und der Sturköpfigkeit von Ulrich Reitz und seinem Glauben an sein eigenes Können geschuldet, dass er fast neun Jahre die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ und damit auch ihre Schwesterzeitungen prägen durfte.

Reitz ist in Essen gescheitert, weil ihn das Lokale nie interessierte.

Dafür ist Ulrich Reitz auch und gerade von NEWSROOM mehrfach und massiv kritisiert worden.

Diese Zeit aber ist vorbei, Reitz, Jahrgang 1960, ist nicht mehr bei der „WAZ“, sein Nachfolger in Essen besucht als erste Amtshandlung alle Lokalredaktionen, die Ulrich Reitz vernachlässigt hat. Und der neue "WAZ"-Chefredakteur hat auch erste Forderungen an seine Redaktion aufgestellt, er nimmt abends die jeweilige erste Lokalseite persönlich ab, in Berichten müssen "Euro", "Millionen" und "Milliarden" ausgeschrieben werden, Ekelbilder von schimmeligen Lebensmitteln oder Tatortfotos mit abgedeckten Leichen sind im gesamten Blatt verboten.

Essen war zu klein für Reitz 

Im Juni verließ Reitz die Funke Mediengruppe, im Oktober übernimmt er das Nachrichtenmagazin „Focus“. Reitz kennt die Zeitschrift gut, er war Gründungsmitglied. Die Bande zu Hubert Burda und Helmut Markwort, dem Kaufmann und Eigentümer und dem Erfinder des „Focus“, hat über all die Jahre gehalten.

Reitz kann sich nun endlich um die wichtigen Themen des Landes kümmern. Die traut er sich zu, Detailfragen interessieren ihn da weniger.

Wer die erste Berichterstattung gelesen hat über den Wechsel von Reitz zum „Focus“, konnte aber glauben, dass eine Person, die ein Blatt falsch geführt hat, nie wieder eine Redaktion betreten darf. Verbrannt auf Ewigkeit.

Geschenkt.

Ulrich Reitz ist der richtige Mann für den „Focus“.

Er kennt das Haus, er kennt das Blatt, er kennt noch viele Redakteure aus der Gründerzeit Anfang der 1990er Jahre, er ist eloquent und konservativ genug, um die Zeitschrift im besten Sinne gegen die anderen aktuellen Magazintanker aus Hamburg zu positionieren. Reitz ist ein harter journalistischer Arbeiter, er wird kommentieren, repräsentieren, er wird das Magazin umbauen und seinen Redakteuren Zeit lassen, Geschichten zu recherchieren und zu erzählen.

Reitz will zwar von möglichst vielen, am liebsten allen geliebt werden, ihm schert Kritik aber selbst aus dem Kanzleramt dann nicht, wenn der Kommentar oder die Enthüllungs-Reportage sitzt.

„Focus“ unter Ulrich Reitz wird an Relevanz gewinnen, das Magazin wird wieder nutzwertiger werden (müssen). Dann wird das Heft gekauft.

Der „Focus“, den Reitz verantworten wird, wird wieder Agenda-Setting im besten Sinne machen, Themen, für die sich die anderen großen Publikumszeitschriften womöglich zu fein sind, Themen, die so nur der "Focus" umsetzen kann.

„Focus“ kehrt zurück zu seinen Wurzeln. Die Stimmung in München und Berlin, den beiden Redaktionsstandorten, ist nach dem ersten Schock über die überhastete Trennung von Jörg Quoos gut. Womöglich kehren sogar einige wichtige Autoren zurück, die das Blatt im Streit um die Ausrichtung verlassen haben.

Der Verlag Hubert Burda Media muss Ulrich Reitz nun die Zeit einräumen, dem Magazin wieder Relevanz zu verleihen. Das wird nicht von heute auf morgen geschehen können, dafür ist die Konkurrenz um die Aufmerksamkeit der Leser inzwischen einfach zu groß.

Bülend Ürük