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So tickt der neue G+J-Chef Stephan Schäfer

So tickt der neue G+J-Chef Stephan Schäfer Stephan Schäfer

Der G+J-Vorstand ist seit längerem auch für die Inhalte von RTL verantwortlich, sitzt im Content Alliance Board von Bertelsmann. Nun löst er Julia Jäkel an der Spitze von G+J ab. „Stephan Schäfer wird in Zukunft noch einige entscheidende Weichen bei Bertelsmann stellen“, ist sich der „Spiegel“ sicher, der Schäfer überraschend kritisch sieht. In einem früheren Interview mit dem „medium magazin“ gibt Schäfer Einblicke in seinen Führungsstil.

Hamburg – „Bevor Stephan Schäfer an die Spitze des Verlagshauses Gruner + Jahr aufstieg, musste er noch einen starken Mann loswerden – einen Titanen: Dieter Bohlen“, heißt es in einem aktuellen „Spiegel“-Bericht von Isabell Hülsen, Anton Rainer und Alexander Kühn. Schäfer sei es gewesen, der Bohlen in den Räumlichkeiten des Hamburger Verlags mitteilte, dass man künftig auf ihn verzichten wolle, will der „Spiegel“ aus Schäfers Umfeld erfahren haben. Schäfer, so viel sei klar, werde in Zukunft noch einige entscheidende Weichen bei Bertelsmann stellen.


Der „Spiegel“ sieht in dem Führungswechsel bei G+J - Stephan Schäfer löst, wie berichtet, Julia Jäkel ab – ein Vorzeichen für eine mögliche Fusion von Gruner + Jahr und Mediengruppe RTL Deutschland, die beide zu Bertelsmann gehören. „Alles andere als eine Fusion der beiden Häuser wäre eine Überraschung. Der Abgang von Jäkel stellt in dieser Frage einen Einschnitt dar", heißt es in dem Spiegel-Artikel mit dem Titel "Raus aus dem Dschungel-Camp“.

 

Der „Spiegel“ vergleicht die beiden Führungs-Figuren Schäfer und Jäkel. Jäkel habe als Gruner-Gewächs gegolten. Man habe mit ihr immer über Recherchen und journalistische Ideen sprechen können, will der Spiegel aus der G+J-Redaktion erfahren haben. Bei Schäfer gebe es da größere Zweifel: „Schäfer steht intern nicht im Ruf, sich sonderlich für Qualitätsjournalismus zu interessieren, sondern eher dafür, welche Redaktionen sich möglichst gewinnbringend zusammenlegen lassen, um die Rendite zu heben. Das Verlagshaus ist für ihn ein gigantisches Mischpult, bei dem sich Inhalte über alle Zeitschriften des Hauses nach Belieben verteilen lassen“, schreiben die „Spiegel“-Autoren Hülsen, Rainer und Kühn. Mit dieser Haltung habe sich Schäfer in der Gunst von Bertelsmann-Chef Rabe weit vorgearbeitet. Er gelte als geländegängig in einem Konzern, der in den vergangenen Jahren die Autonomie seiner ehemals selbstbewussten Spartenchefs geschleift habe.

 

Interessant: Gruner + Jahr ist mit 25,25% am Spiegel-Verlag beteiligt.

 

Das „medium magazin“ hat 2018 mit Schäfer ein großes Interview gemacht. Schäfer, damals Gruner + Jahrs oberster Produktchef, sagte darin, was er von seinen Leuten erwartet, wie er tickt und warum er für subjektiven Journalismus ist. Ein Auszug:


Sie waren Chefredakteur, nun sind Sie Geschäftsführer. Verstehen Sie sich in dieser Rolle mehr als oberster kreativer Journalist oder als Geschäftsfeldfinder?

Stephan Schäfer: Vor allem verstehe ich mich als Ermöglicher, der sich daran erfreut, wenn Dinge gelingen. Es ist meine Hauptaufgabe, den Kolleginnen und Kollegen das Umfeld, den Spielraum und die Ausstattung zu geben, Neues in Bewegung zu setzen. Die obersten Kreativen unseres Hauses sitzen in den Redaktionen, was alle anderen Abteilungen nicht davon abhält, auch mit guten Ideen zu kommen.

 

Was ist Ihnen wichtig als „Ermöglicher“ von Innovationen für G+J?

Drei Punkte sind für mich wichtig. Erstens: Ich muss nach innen und außen kommunizieren, dass Innovation und Kreativität bei uns ganz oben stehen. Ich muss Ja sagen zu Ideen. Zweitens: Ich muss den richtigen Personen mein Vertrauen schenken und sie an die Stellen setzen, an denen sie etwas gestalten können. Als Drittes kommt das Budget. Innovation beginnt nie mit viel Geld. Aber trotzdem müssen wir ja in Ideen investieren, um sie umzusetzen.

 

Kommt Innovation immer von oben?

Am Anfang sollte man es einmal ausrufen. Und ein Umfeld schaffen, in dem Kreativität möglich ist. Dann ist es so, wie es heute bei uns läuft: Jetzt kommen Ideen aus vielen Bereichen, weil alle wissen, dass das Haus dafür offen ist und ich mich darüber freue. Anders als vor fünf Jahren: Damals, zu meinem Start, riefen nur wenige bei mir an oder schickten eine Mail mit Ideen. Heute passiert das alle naselang. Aktuell laufen 15, 20 Projekte parallel. Und daneben haben wir mit dem Greenhouse ein eigenes Innovationslabor gegründet.

 

Was verstehen Sie eigentlich unter Innovation in einem Verlag wie G+J?

Innovation ist für mich der Inbegriff für einen Verlag. Das Wort Verlag bedeutet: das Finanzieren von Kreativität. Wir bei Gruner + Jahr haben uns ganz groß auf die Fahne geschrieben, der innovativste Verlag zu sein, weil wir glauben, in diesen Zeiten durch Innovationen, durch Kreativität, durch neue Ideen die Zukunft gestalten zu können.

 

Was ist Ihr Vergleichsmaßstab für diesen Superlativ, wen wollen Sie übertrumpfen?

Ich möchte nicht unbescheiden sein, aber nennen Sie mir einen Verlag, der in den vergangenen Jahren mehr neue Medienprodukte auf den Markt gebracht hat. Wir bekommen viel positive Resonanz darauf, dass wir im klassischen Geschäft weiter investieren. Andere Verlagshäuser gehen andere Wege.

 

Und wie sehen Sie da Ihren Wettbewerber Axel Springer?

Unsere größten Wettbewerber sind nicht mehr andere Verlage, sondern ganz andere Medienangebote und Plattformen. Und Springer erlebe ich als sehr erfolgreich indem, was sie tun.

 

Warum sind Ihnen neue Ideen abseits des klassischen Kerngeschäfts so wichtig?

Wir leben in hart umkämpften Märkten. Wir brauchen beständig neue Ideen. Das ist heute anders als früher: In Zeiten des unangefochtenen Wachstums ging es vor allem darum, das bestehende Portfolio zu managen. Die Umstände haben uns zu Innovatoren gemacht, weil wir uns neben dem klassischen Geschäft – „Stern“, „Brigitte“, „Gala“ – neue publizistische Marken und neue Geschäfte um die Marken herum einfallen lassen müssen.

 

Woraus ziehen Sie eigentlich persönlich neue Ideen?

Über allem steht das Gespräch. Ich bin nicht der, dem die besten Ideen unter der Dusche kommen. Das heimliche Grübeln, allein in einem Kämmerchen, macht mir auch keinen Spaß. Ich brauche den Austausch, Gespräche mit Kollegen, Freunden, Bekannten. Ich bin überzeugt: Innovation beginnt mit Empathie. Außerdem lese ich alles, was mir unterkommt.

 

Wirklich alles? Auch Ihr Tag hat doch nur 24 Stunden.

Ich habe mir in den vergangenen Monaten abgewöhnt, ständig News anzugucken und mich dadurch ablenken zu lassen. Deswegen lese ich am Wochenende nach. In der Woche sauge ich alles auf, lege mir interessante Artikel zur Seite, am Wochenende ziehe ich mich aufs Land zurück – ohne WLAN, ohne Social Media, ohne Fernseher von Samstagvormittag bis Sonntagabend.

 

Sie reißen Artikel noch ganz klassisch raus?

Ich reiße alles aus, was mich interessiert, nehme auch mal vier Tage alte „Süddeutsche“ und drei Wochen alte „Spiegel“ mit. Wenn ich im Büro bin, arbeite ich mit den Kolleginnen und Kollegen. Ich werde oft gefragt, warum G+J Magazine zum Thema Entschleunigung macht. Das ist Ausdruck des Zeitgeistes: Je digitaler die Welt wird, desto mehr sucht sie nach Entschleunigung.

 

Wie kommen die Ideen von anderen zu Ihnen - und was tun Sie, damit sie wirklich durchdringen?

Ganz unterschiedlich. Zum Glück kommen inzwischen reichlich Mails von irgendwo aus dem Unternehmen oder von außerhalb, in denen jemand schreibt und sagt, ich hab da eine Idee, ich glaube da an etwas. Dann ist es meine oberste Bürgerpflicht, innerhalb von 24 Stunden darauf zu antworten. Ganz egal, woher sie kommt und wer sie schreibt. Trotzdem kann natürlich auch bei uns eine Idee versickern, weil eine Mail nicht durchkommt oder jemand etwas nicht weiterträgt. Ich hoffe, wir schaffen bei G+J eine Kultur, in der jeder angstfrei etwas vorschlägt. Das Schwierigste ist das Neinsagen zu einer Idee. Aber auch das gehört nun mal dazu: ein Nein aushalten, ohne gleich eingeschnappt oder böse zu sein.

 

In dem „medium-magazin“-Interview mit Annette Milz und Jens Twiehaus gibt Stephan Schäfer noch weitere Einblicke in seinen Führungsstil: „Wirkliche Spitzenleute wollen, dass wir sie fordern, fördern und Neues machen. Es wäre schlimmer, wenn ich sagen würde: So, das war’s, wir belassen es bei dem Portfolio, das wir heute haben. Glauben Sie mir, je mehr Neues wir machen, desto besser wird die Stimmung.“

 

Schäfer sagte 2018 auch voraus, dass Journalismus subjektiver werde: „Die Menschen sind auf der Suche nach Identifikationsfiguren, die eine Community schaffen und zusammenhalten. Und wir bringen unser Know-how für Qualitätsjournalismus ein. Das ist eine schöne und im deutschen Markt neue Art des Magazinmachens.“ Und weiter: „Ich glaube, Persönlichkeit und Subjektivität werden heute, in der Flut digitaler Informationen, entscheidender. Wer ist der Absender und identifiziere ich mich mit ihm? Ich glaube, dass man im Qualitätsjournalismus damit den Unterschied markieren kann in der Flut nicht eingeordneter Nachrichten.“