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Neue SWR-Führungskraft Marieke Reimann: „Ich bin mir meines Könnens sehr sicher“

Neue SWR-Führungskraft Marieke Reimann: „Ich bin mir meines Könnens sehr sicher“ Marieke Reimann (Foto: Chloé Desnoyers)

Reimann ist seit Anfang November Mitglied der SWR-Chefredaktion. Was sie dort bewegen will – drei Fragen an die Aufsteigerin.

Berlin/Mannheim – Für sie geht es weiter nach oben: Marieke Reimann ist seit Anfang November Mitglied der SWR-Chefredaktion. Was sie dort bewegen will, verriet sie „medium magazin“ in einem Café in Ost-Berlin. Ein Gespräch über junge Medien, starre Strukturen und ostdeutsche Herkunft. Drei Fragen: 

 

Ab November sind Sie die Zweite Chefredakteurin des SWR. Damit gehören Sie zu 6,8 Prozent Ostdeutschen in Elitepositionen im Journalismus. Der Anteil der Gesamtbevölkerung liegt bei 19 Prozent. Wie haben Sie das geschafft?

Marieke Reimann: Ich bin in einem Rostocker Plattenbauviertel mit meiner jüngeren Schwester bei unserer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen. All das, was mich als Kind und Jugendliche umgab, kam in den Medien kaum vor, das machte mich sehr wütend und ich empfand es als große Ungerechtigkeit. Durch den Druck, selbst in bessere Lebensumstände zu kommen, und das Ziel, andere Lebenswirklichkeiten sichtbar zu machen, habe ich sehr früh angefangen, sehr hart zu arbeiten.

 

Nicht jeder Mensch, der hart arbeitet, wird mit 34 Chefredakteurin einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt.

Schade eigentlich! Dem liegt ja zugrunde, dass es eben doch nicht stimmt, dass hierzulande alle die gleichen Chancen hätten, aufzusteigen. In meiner Praktikumszeit bei einem großen TV-Sender in Köln musste ich mich mal vor einer CvD rechtfertigen, warum ich immer „so pünktlich Feierabend“ machen würde. Als ich ihr sagte, dass ich neben dem Praktikum putzen ginge, weil mein Gehalt nicht ausreiche, sagte sie mir, ich müsse mich entscheiden, ob mir Journalismus wirklich wichtig sei. Meine Mit-Praktis gingen nach ihrer Schicht nicht putzen, sondern nach Hause. Mir sind viele solcher Geschichten passiert und sie passieren immer noch Praktikanten, Volontärinnen und Freien. Ich bin es schon lange gewohnt, sehr schnell zu arbeiten, Entscheidungen zu treffen, nicht so lange rumzulabern, zielorientiert zu handeln, weil mein Druck einfach groß war, meinen Lebensunterhalt zu sichern. Und ich glaube, diese Schnelligkeit spiegelt sich auch in meiner Karriere wider. Ich bin mir meines Könnens sehr sicher und gehe heute bewusst aus Jobs raus, in denen ich nicht genug Wertschätzung erfahre, oder auf Vorgesetzte zu, um Beförderungen einzufordern.

 

 

Sie sind eine Fürsprecherin für Journalismus mit Haltung und treffen beim Öffentlich-Rechtlichen auf die alte Schule mit ihrem Objektivitätsanspruch. Wie verhandelt man da, ohne dass nur Positionen aufeinanderknallen?

Das eine schließt das andere nicht aus. Ich und alle anderen Medienschaffenden sind nicht zwei Personen im Privaten und im Job, wie soll das gehen? Heutzutage keine Haltung zu zeigen, ist feige. Wenn man so tut, als sei man der beobachtende Chronist, in einer Zeit erstarkenden Populismus, verpasst man die Chance, Falschaussagen kritisch einzuordnen. Mit meiner Arbeit habe ich die Möglichkeit, aber auch die Verantwortung, Unwahrheiten oder als Fakten verkaufte Meinungen zu entkräften. Eine positive Haltung zu Grund- und Menschenrechten zu haben und dafür auch im Journalismus einzustehen, ist nicht subjektiv, sondern menschlich. Sich aktiv gegen Rassismus, Diskriminierung und Sexismus einzusetzen, Minoritäten und deren Lebenswirklichkeit sichtbar zu machen, ist nicht links, sondern sollte Anspruch jeder Redaktion sein, die sich rühmt, alle Menschen in Deutschland anzusprechen.

 

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