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dpa - Ulrike Cordes

Journalistin Tessniem Kadiri − Mit 23 beim „Weltspiegel“

Die junge Journalistin Tessniem Kadiri hat viel Social-Media-Erfahrung. Gestern übernahm sie erstmals die Moderation des traditionsreichen Auslandsmagazins.

Hamburg (dpa) − Seit 1963 gibt es den „Weltspiegel“ − das sonntägliche Reportagen-Magazin im Ersten. Gegründet und damals moderiert von den TV-Urgesteinen Gerd Ruge und Klaus Bölling. Jetzt wird der „Weltspiegel“ deutlich verjüngt − mit der neuen Moderatorin Tessniem Kadiri. Noch heute schalten nach ARD-Angaben jeweils zwei Millionen Zuschauer ein, wenn Reporter aus 26 Studios von Geschehnissen rund um den Globus berichten. Dennoch: Ist das grundsolide Fernsehformat in Zeiten blitzschneller Internet-News nicht ein alter Hut, gar ein Auslaufmodell? „Keineswegs“, sagt Kadiri.

Fernsehmagazin hat „ordnende Funktion“

 

Die 23-jährige Journalistin aus Köln ergänzt seit Sonntag (16. Februar) um 18.30 Uhr als vierte Frau − und Nachfolgerin von Andreas Cichowicz (63) − das Moderatorinnen-Team der Live-Sendung. „Je komplizierter die Weltlage wird, desto eher tendieren alle Altersgruppen dazu, zum Beispiel auch die „Tagesschau“ zu sehen. Um alles sortiert zu kriegen. Eine ähnliche ordnende Funktion sehe ich beim „Weltspiegel“, wo man sich darauf verlassen kann, in 44 Minuten alles Wichtige mitzubekommen. Und das beruhigt“, sagt die selbstbewusste und telegene „Pottdeutsche“, wie Kadiri sich als geborene Duisburgerin mit marokkanischen Wurzeln bezeichnet, im Gespräch der dpa. 

 

Sie ergänzt: „Ich glaube auch, dass es ein Trugschluss ist, dass sich junge Leute nicht mehr für Fernsehen interessieren. Und ich finde nicht, dass der „Weltspiegel“ total verstaubt ist. Aber man kann das zusätzlich eben noch zielgruppengerechter für junge Leute aufbereiten.“ Dass die Verantwortlichen des Norddeutschen Rundfunks (NDR), in dessen Auftrag das Magazin produziert wird, gerade ihr die Aufgabe zutrauen, liegt auch an Kadiris Social-Media-Expertise. 

 

Grimme-Preis-nominiert dank „Atlas“

Seit 2022 moderiert sie das von Funk, dem jungen Content-Netzwerk von ARD und ZDF, produzierte Auslandsformat „Atlas“ (200.000 Abonnenten auf YouTube). Außerdem ist sie bereits auf den Social-Media-Kanälen des „Weltspiegel“ auf TikTok und Instagram sowie für dessen Podcast in Plattform-gerechter Form aktiv. Und erreicht damit viele unter 20- bis 30-Jährige. Um das mit auszubauen − und so auf die Zukunft zu wirken − erscheint die Journalistin tatsächlich als Idealbesetzung.

Nachdem sie bereits mit 15 Jahren für ihren Heimat-Sender Radio Duisburg tätig war, ist sie derzeit dank der „Atlas“-Beiträge sogar Grimme-Preis-nominiert. Und seit Anfang 2022 moderiert sie auch die für Kinder produzierte gesellschaftspolitische Fernsehsendung „neuneinhalb“ im öffentlich-rechtlichen KiKa-Kanal. 

 

Bereits seit 2020 arbeitet Kadiri zudem als Autorin und Host für den News-TikTok-Kanal „Nicetoknow“ für 14- bis 16-Jährige des WDR-Newsrooms − ein Einsatz gegen Fake News und für mehr Aufklärung auf TikTok, der bislang 500.000 Follower gewann. Neben weiteren Aktivitäten legt sie in ihrem Buch „Baba Issues“ auch noch Ende Mai in Köln eine Autobiografie über ihre komplexe Beziehung zu ihrem Vater vor.

Was motiviert sie zu all ihrem beruflichen Tun? „Mein Interesse an Politik hat sich sehr früh entwickelt. Ich habe viel mit meinen Lehrerinnen und Lehrern diskutiert, Spaß am Politikunterricht am Gymnasium in Duisburg gehabt. Denn Ungerechtigkeit hat mich schon immer genervt“, erklärt Kadiri.

 

Streberin im positiven Sinne 

Gegen Ungerechtigkeit trat sie schon als Klassensprecherin und in der Schülervertretung auf − war da bei den Mitschülern allerdings nicht beliebt, da sie als Streberin galt, wie sie berichtet. Die 23-Jährige fügt dennoch hinzu: „Ich hoffe allerdings, dass ich immer noch eine Streberin bin − den Begriff habe ich nie als Beleidigung wahrgenommen.“ Dabei habe sie kein festes Lebensziel, eher eine Grundhaltung: „Ich möchte mich weiterhin immer wieder selbst herausfordern. Nie damit aufhören, immer wieder Neues zu lernen. Und im Grunde weiterhin immer Auslandsjournalismus machen.“

 

Den hat sich Kadiri, die in Bonn Französisch und Medienwissenschaft studiert, vor allem durch Learning by doing angeeignet, ein Volontariat hat sie nicht gemacht. Dafür mit 20 einen einjährigen Cross-Media-Lehrgang beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) besucht sowie viele Hospitanzen, Seminare und Auslandsaufenthalte absolviert. Nun blickt die Frau, die in ihrer Freizeit Kickboxen und Pilates macht, zuversichtlich in die nahe Zukunft. Auch einen eigenen Wissensschwerpunkt habe sie bereits − die arabische Welt, da sie die Sprache beherrscht und immer wieder ihre Familie in Marokko besucht.