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Ex-Sportreporter Heinz-Florian Oertel wird 80

«Mehr Werte gegen die Schwatzgesellschaft» - Buchautor immer noch gefragt.

Berlin (ddp). Bei den Fernsehzuschauern ähnlich umstritten wie der langjährige Chef der ARD«-Sportschau, Heribert Fassbender, im Westen, war der bekannteste Sportreporter des Ostens, Heinz-Florian Oertel. Seine oftmals sehr emotionale Sprache war nicht jedermanns Geschmack. Jahrzehntelang waren beide Journalisten in deutschen Wohnzimmern präsent und kommentierten wichtige Sportereignisse. Während der heute 66-jährige Fassbender bis vor einigen Jahren noch regelmäßig im Fernsehen zu erleben war, verschwand der gebürtige Lausitzer mit der Wende über Nacht vom TV-Live-Mikrofon.

Nach dem Mauerfall vermittelte der langjährige Journalist Oertel, der am Dienstag (11. Dezember) seinen 80. Geburtstag begeht, sein Wissen dem Nachwuchs. In den 90er Jahren war er an der Freien Universität Berlin als Dozent für Rhetorik und als Lehrbeauftragter an der Georg-August-Universität Göttingen für Sport und Publizistik tätig.

«Wer rastet, der rostet» - nach dem Motto lebt der 79-Jährige noch heute. «Auch wenn ich eigentlich schon seit längerem das Leben ruhiger angehen lassen will, drei fest zugesagte Termine in der Woche kommen schnell zusammen», sagt er. Schon vor fünf Jahren hatte der Jubilar angekündigt, kürzer treten zu wollen: «Manche Vorsätze lassen sich eben schwer realisieren.»

Der in Berlin wohnende Journalist tourt mit seinem neuesten Buch «Gott sei Dank - Schluss mit der Schwatzgesellschaft» seit Monaten durch den Osten Deutschlands. «Im Westen gibt es leider keine Termine, nicht mal einen richtigen Verriss meines Buches», sagt Oertel verbittert über die «Mauer in so manchen westdeutschen Köpfen».

Dabei pflegt der 79-Jährige noch immer Kontakte zu seinen westdeutschen Kollegen aus damaligen Zeiten. Mit den ehemaligen Sportreportern Dieter Kürten und Rudi Michel telefoniere er öfter, auch Fassbender treffe er immer mal wieder, sagt Oertel, der den westdeutschen Fernsehzuschauern aufgrund unzähliger TV-Wiederholungen wohl zuallererst als Ost-Kommentator des legendären Fußball-Weltmeisterschaftsspiels DDR gegen BRD 1974 aus dem Hamburger Volksparkstadion bekannt ist.

«Nach fünf Büchern sollte eigentlich Schluss sein», sagt Oertel. «Doch nachdem ich das Werk Peter Hahnes 'Schluss mit lustig. Das Ende der Spaßgesellschaft' gelesen hatte, wollte ich einfach darauf antworten», erläutert Oertel sein Motiv, erneut in die Tasten seiner alten «Erika»-Schreibmaschine zu schlagen. «Einen Laptop habe ich bis heute nicht.»

Er unterstütze auf der ganzen Linie die Forderung des ZDF-Hauptstadtjournalisten Hahne: zurück zu alten, christlichen Werten in der Gesellschaft, Schluss mit all ihrem Firlefanz und all ihrer Oberflächlichkeit. «Mir fehlen aber weitere Schlussfolgerungen: Werte wie Vorbildwirkung, nicht lügen, ehrlich bleiben oder auch keine Korruption zu dulden», ergänzt der 79-Jährige.

Im kommenden Jahr will der Autor «nun endlich» mehr Pausen einlegen. «Ich habe für 2008 schon mehr Termine abgesagt als angenommen«, sagt er stolz. Wichtig sei vor allem, »dass ich weiter in Form bleibe», so Oertel, der sich vor Jahren einer schweren Hüftoperation unterziehen musste.

Zurückblickend auf acht Jahrzehnte fällt sein Lebensresümee positiv aus. «Ich bin glücklich und zufrieden, vier deutsche Geschichtsepochen erlebt zu haben. In der Weimarer Republik geboren, in der Nazizeit aufgewachsen, wobei ich erst später erkannte, was für ein verbrecherisches System es war. Dann 40 Jahre DDR als Resultat des Zweiten Weltkrieges und jetzt das gemeinsame Deutschland.» Angesichts dieser geschichtlichen Erkenntnisse ärgere er sich jedoch darüber, mit seiner Meinung »oft als Miesepeter oder Ostalgiker abgestempelt zu werden. Aber meine Ansichten resultieren aus meinen Lebenserfahrungen, da kann ich eben nicht anders und ecke auch an«.

Der »akribische Wort-Handwerker» ging 1980 mit dem legendären Ausspruch «Liebe junge Väter, haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Söhne Waldemar!» in die Fernsehgeschichte ein. Oertel gab später mal schmunzelnd zu, dass diese Worte im Finale des Marathonlaufes bei den Olympischen Spielen in Moskau mit Waldemar Cierpinski an der Spitze ganz spontan über seine Lippen kamen. «So etwas kann man sich nicht vorher ausdenken. Ich wusste ja gar nicht, dass er gewinnen würde», blickt der Journalist zurück, der 1949 seine Reporterlaufbahn begonnen hatte.

Oertel war jedoch nicht nur bei Sportübertragungen auf dem Bildschirm zu erleben. Er moderierte auch viele Unterhaltungssendungen, so die größte DDR-Show «Ein Kessel Buntes» und «Porträt per Telefon». Bei diesem Talk unterhielt er sich seit 1969 in rund 250 Folgen 45 Minuten lang live vor allem mit Sportlern, Künstlern und Wissenschaftlern.