Augsburg - Der 44-jährige Journalist aus Erlangen ("Fränkischer Tag") steht seit Mai 2013 an der Spitze des mit 7800 Mitgliedern größten Landesverbandes im Deutschen Journalisten-Verband (DJV). Ihm zur Seite stehen im geschäftsführenden Vorstand die Münchner Fernsehredakteurin Dr. Hilde Stadler (Bayerischer Rundfunk) und Daniela Albrecht, Redakteurin bei der "Passauer Neuen Presse".
In einer spannenden Rede erklärte Busch auch, warum sich der Journalisten-Verband mit dem Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) solidarisch erklärte. NEWSROOM dokumentiert die Rede in leicht gekürzter Form. (B.Ü.)
Am Mittwochabend, gegen 23.30 Uhr hatte ich meinen Bericht für den heutigen Tag fertig. Ich wollte starten mit einem mittelguten Witz über Gewerkschafter, um die Stimmung ein wenig aufzulockern. Ich wollte das Jahr nochmals Revue passieren lassen, um zu zeigen, was im BJV passierte und was der BJV bewegt hat. Ich habe mir ein Glas Rotwein eingeschenkt, um die richtige Bettschwere zu erlangen. Aus Gewohnheit habe ich dann nochmals über die Mails geschaut und war plötzlich schlagartig wieder wach.
Gegen 23.30 Uhr ist die Mail eines Kollegen an den BJV eingegangen. Absender war ein Kollege aus dem Augsburger Raum. Ein zukünftiger Ex-Kollege, wenn ich ehrlich bin. Denn der Brief endete mit dem Satz: „Daher kündige ich zum 30. Juni dieses Jahres meine Mitgliedschaft beim BJV“.
Das ist nicht unbedingt ungewöhnlich. Wir erhalten vermehrt Kündigungen. In der Regel ohne Begründung, beim Nachfragen heißt es oft: Berufsaufgabe, Berufswechsel, keine Chance mehr im Journalismus. Mehr Informationen erhalten wir in der Regel nicht. Im Gegensatz zu der erwähnten Mail.
Ich zitiere in Auszügen:
„Ich bin schon länger mit dem DJV nicht mehr zufrieden. Seit Jahren verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen für Journalisten, meine Gewerkschaft ist aber nicht in der Lage, etwas dagegen zu tun oder zumindest die Bürger nachhaltig darauf aufmerksam zu machen. Bei der letzten Tarifrunde haben sich die Verleger in vielen Punkten durchsetzen können, doch der DJV verkauft das als Erfolg. Ich als Jungredakteur mit dem ersten Vertrag werde erheblich schlechter gestellt als alle, die vor mir einen Vertrag bekommen haben.
Es ging bei der Tarifrunde in erster Linie um eine Besitzstandwahrung für die, die gut verdienen. Wer jetzt in den Beruf kommt, interessiert nicht. Es hieß nur lapidar, um die Arbeitsbedingungen für junge Journalisten gehe es jetzt nicht, doch darum geht es nie. Auch wurde nach außen vor allem eine (wichtige) Gehaltserhöhung kommuniziert, um das Verhindern der Zerstörung des Berufes ging es kaum. So konnte auch keine Unterstützung der Bürger gewonnen werden. Kurzum: Ich fühle mich vom DJV nicht mehr wahrgenommen und vertreten.
Den von den Verlegern vorgenommenen Zerstörungen der Zeitungen steht der DJV ohnmächtig gegenüber und bringt sich viel zu wenig in eine öffentliche Diskussion über den Wert der Zeitungen und der Journalisten ein.
Die heutige Nachricht, dass der Bundesvorsitzende [Anmerkung der Redaktion: Gemeint ist Michael Konken] sich auf die Seite der GDL schlägt und damit einen Streik unterstützt, der gegen alle guten Sitten verstößt, bringt das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen. Der GDL geht es nicht um bessere Arbeitsbedingungen, sondern nur darum, einen Machtkampf zu gewinnen. Und darum geht es inzwischen auch nur dem DJV. Wer ein ganzes Land lahmlegt und jedes Angebot der Gegenseite als ‚PR-Gag‘ abtut, ohne es überhaupt eingehend zu prüfen und ein Entgegenkommen kategorisch ausschlägt, dem geht es nicht um die Sache. Zumindest ist die GDL eher in der Lage, sich durchzusetzen, im Gegensatz zum DJV. Aber als Journalisten-Vertreter dieses Gebahren zu unterstützen entbehrt jeglicher Grundlage. Jetzt fühle ich mich von dieser Gewerkschaft noch weniger vertreten, die auch nichts gegen die fortschreitende Deprofessionalisierung unseres Berufes tut.“ Zitat Ende.
Ich könnte zynisch sein, den Inhalt ignorieren und noch darauf hinweisen, dass der Text vor Rechtschreibfehlern strotzt. Das wäre zwar schnell erledigt, aber zynisch. Wir wollen und sollen uns als Journalisten und Pressesprecher ja mit Inhalten abgeben. Mir stellte sich dann noch nachts tatsächlich die Frage: „Haben wir nichts gemacht? Haben wir uns nicht gewehrt? Haben wir uns zu selten, wenn überhaupt positioniert?“
„Seit Jahren verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen für Journalisten, meine Gewerkschaft ist aber nicht in der Lage, etwas dagegen zu tun oder zumindest die Bürger nachhaltig darauf aufmerksam zu machen.“
Richtig ist, dass es schwer ist den Entwicklungen entgegen zu stehen. Das ist ein mühsamer Weg, es ist Kärrnerarbeit. Ich glaube jeder von uns BJV-Funktionären wäre froh, wenn wir mit den Finger schnipsen und das journalistische Schlaraffenland sich uns öffnet. Das ist leider nicht der Fall.
Wir wählen die mühsameren Wege. Zum Beispiel Hintergrundgespräche. In Folge einer längeren Ausführung im Wirtschaftsausschuss des Bayerischen Landtags, kam es zu mehreren Gesprächen mit Landtagsabgeordneten, die sehen, dass mit den Medien „etwas nicht stimmt“. Politiker, die langsam registrieren, dass diese mediale Veränderung im Gesamten nicht nur positiv ist, dass die Entwicklungen neue Spielregeln erfordern, die zum Teil politisch zu gestalten sind.
Wir tauchen als BJV-ler aber auch bei Anhörungen zu medienspezifischen Themen auf, um auf die Situation in unserer Branche aufmerksam zu machen. Grüne, SPD waren im vergangenen Jahr mit Themen aktiv, zu denen wir uns klar positionierten.
Es sind aber auch die Pressemitteilungen, die eine Rolle spielen. Wir haben im BJV immer wieder auf Themen reagiert, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Themen, die Einfluss auf unser Arbeiten haben. Wir kritisierten den Auftritt Markus Söders bei „Dahoam is dahoam“ und stellten die Staatsferne in Frage. Das ist nicht immer populär, denn beim Bürger an sich kam der Auftritt des Noch-Finanzministers gut an. Nicht bei den Menschen, die den Begriff Staatsferne noch ernst nehmen.
Wir mischten uns ein bei der Frage, ob der Bayerische Rundfunk ohne Werbung funktionieren kann, wir mischten uns ein als der Germanwings-Absturz die Gemüter nicht nur erhitzte, sondern auch intensiv beschäftigte.
Wir saßen mit auf dem Podium als es um Corporate Publishing ging, als über die Pressefreiheit diskutiert wurde, als Polizisten sich interessiert zeigten, wie man die Zusammenarbeit vor Ort verbessern könne.
Der BJV organisiert aber auch immer wieder Veranstaltungen zu diversen Themen, die nicht nur im „eigenen Sud“ eine Rolle spielten. Die Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit demonstriert immer wieder, welch hohes Interesse an unserem Beruf existiert, wie die Entwicklungen zu stemmen und zu verfolgen sind. Die Fachgruppe Junge widmet sich spezifischen Themen für die Jungen, aber nicht den Blick aus den Augen verlierend, wie man neue Mitglieder für unseren Beruf begeistern kann. An den Hochschulen sind die Jungen aktiv, um für ein gutes Berufsbild zu werben. Mit Erfolg.
Das gilt für fast alle Fachgruppen, die und das sei nebenbei bemerkt, nach dem Appell im vergangenen Jahr an gleicher Stelle, deutlich aktiver geworden sind – dafür schon mal ein Danke, insofern hat sich die Aufregung ja gelohnt.
Zurück zu der Kritik:
Wir haben die Verleihung des Preises Pressefoto Bayern sowie dessen Vorläufer-Wettbewerb Pressefoto Unterfranken. Diese Verleihungen plus die Ausstellungen sprechen regelmäßig ein großes Publikum an. Auch dort ergibt sich immer wieder die Chance auf die Probleme in der Branche hinzuweisen. Meine Erfahrung ist, dass tatsächlich viele die Augen verdrehen und überrascht sind, wie es bei uns abgeht.
Dass diese Ausstellung so funktioniert, ist vor allem Maria Goblirsch zu verdanken, die mit Herzblut alles rund um Pressefoto Bayern organisiert. Es ist keine kleine Aufgabe, immerhin sind wir mittlerweile mit drei Ausstellungssätzen nicht nur in Bayern unterwegs. Positiv entwickelt sich auch die Zusammenarbeit mit dem Flughafen München. Dort sind wir dran, und das ist sicher nicht zuviel verraten, mit den Bildern in digitaler Form in die Dauerausstellung zu kommen, aber lassen Sie sich im kommenden Jahr einfach überraschen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir noch viel mehr tun können, um die Bürger zu erreichen, aber das wir so gar nichts tun mag ich mir nicht gefallen lassen.
Der Kollege äußerte weiter: „Bei der letzten Tarifrunde haben sich die Verleger in vielen Punkten durchsetzen können, doch der DJV verkauft das als Erfolg. Ich als Jungredakteur mit dem ersten Vertrag werde erheblich schlechter gestellt als alle, die vor mir einen Vertrag bekommen haben.“
Es ist eine müßige Diskussion, das weiß ich, das wissen wir, die sich in die Tarifauseinandersetzungen eingebracht haben. Und ich will ja auch gar nichts schöner reden, als es tatsächlich ist. Doch die erste Frage, die man sich stellen muss lautet: Wie hätte das Ergebnis ausgesehen, wenn es keine Gewerkschaft gegeben hätte?
„Mir doch egal“, könnte der junge Kollege jetzt rufen, „Ich bin ja in keinem Tarifhaus mehr!“ Selbst da spielt der Flächentarif noch eine Rolle, bemisst sich doch der mindestens zu zahlende Tarif – so dass es nicht zu einer Sittenwidrigkeit kommt – wiederum an dem Flächentarif. Maximal X Prozent weniger, ist in der Rechtsprechung zu finden. Ohne die Fläche könnten sich die Häuser immer mehr dem Mindestlohn nähern, von der falschen Seite her.
Ich kann Ihnen mal ein Beispiel nennen, wie heute Lohn bezahlt wird. Da gibt es ein Unternehmen in Bayern, das bezahlt bei Neueinstellungen 3400 Euro. Allerdings wunderbar gesplittet. 1700 Euro fest, 1700 Euro als Zulage. Dann gibt es noch den Zusatz im Arbeitsvertrag: Das Ganze ist angelehnt an den Tarifvertrag. Toll! Sofort unterschreiben! Doch ganz so rosig ist es eben nicht, denn die Tariferhöhung findet nur beim Fixum statt, derselbe Betrag wird von der Zulage wieder gestrichen. Das heißt in der Folge, dass ein Journalist in diesem Arbeitsverhältnis, nach mehreren Jahrzehnten Treue an das Unternehmen nicht einen Euro mehr verdient, obwohl alle Tariferhöhungen mitgegangen wurden.
Das ist eine der Schweinereien, denen wir uns widmen und in Zukunft auch mehr widmen müssen. Haustarife sind eine Möglichkeit den Kolleginnen und Kollegen ein wenig mehr Sicherheit, ein wenig mehr Planbarkeit zu geben. Diese Auseinandersetzungen sind aber auch nur dann möglich, wenn wir in den Häusern entsprechend Mitglieder haben. Wer die Flinte ins Korn wirft und sich von der Gewerkschaft abwendet, spielt den Unternehmen genau in die Hände. Denn dann ist nur noch die Gewinnmaximierung garantiert, der Arbeitnehmer zum Handwerkszeug deklassiert.
Wir haben jetzt aktuell die Tarifauseinandersetzungen beim Bayerischen Rundfunk und die Gewerkschaft ist nur so stark wie sie Mitglieder hat. Je mehr, desto höher ist der Druck, der ausgeübt werden kann. Und damit bin ich auch bei der Frage der Jungen, welche Rolle die für den Berufsverband und für die Gewerkschaft spielen. Eine wichtige! Das ist die Zukunft des Verbandes, sie sind die Zukunft unseres Berufes.
Den Vorwurf, dass uns die Jungen egal seien, mag ich nicht so im Raum stehen lassen. Wer schaut, was unser Bildungs- und Sozialwerk, das BSW, an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen offeriert, was die Akademie der Bayerischen Presse, deren Mitträger wir sind, anbietet, kann alleine aus diesem Grund heraus schon nicht den Vorwurf machen, dass die Jungen uns egal sind.
Richtig ist, dass wir uns verbandsintern mit dem Thema schwer tun. Sie erinnern sich größtenteils an die Debatte in Weimar beim DJV-Verbandstag über eine eventuelle Quote. Ich will das Thema nicht noch mal aufreißen, aber lassen Sie mich eine Bemerkung machen. Der einfache Weg wäre so leicht zu bestreiten: Wir haben so viele Fachgruppen im BJV, Ausschüsse im DJV. Sinnig wäre es, wenn die unterschiedlichen Vertreter, egal welchen Geschlechtes, egal welchen Alters, egal ob festangestellt oder frei, dort aktiv wären. Die einen mit frischen Ideen, die anderen mit ihrer Erfahrung, die Dritten mit dem Lobbying für die Sparte, die sie vertreten. Dieser Weg ist aber offensichtlich zu einfach, lieber streiten wir über die Quotierungen und deren Sinn.
Im BJV gehen wir das Thema offensiv an. Der geschäftsführende Vorstand hat in einer Sitzung geäußert, dass die Fachgruppen-Vorsitzenden, die Bezirksvorsitzenden im Berufsleben stehende Mitglieder sein sollten. Wir wissen, dass dies keine Vorgabe sein kann, weil es der Satzung nicht entspricht – aber es ist ein Wunsch, den man durchaus äußern darf. Das ist im Übrigen kein „Rentner-Bashing“, wie mir mal vorgehalten wurde, es ist die Bitte an die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen in die zweite Reihe zu gehen. Sich in den Vorständen als Vertreter einzubringen, aber eben nicht unbedingt an der Spitze.
Die Erfahrung der Kolleginnen und Kollegen ist unzweifelhaft wichtig und darf nicht ignoriert werden. Karl-Heinz Stannies, frisch gebackener ehemaliger Schatzmeister des DJV in Nordrhein-Westfalen hat bei seiner Verabschiedung, wie ich meine, sehr treffend gesagt: „Ich brauche doch keinen Posten, um meine Erfahrung weiterzugeben, das geht auch so!“ Chapeau!
Ich muss im Übrigen nicht nach Nordrhein-Westfalen gehen, um mir Erfahrungen zu holen. Im Saal sitzen Peter Nützel, Wolfgang Soergel, Günther Weislogel und einige mehr, die ich auch immer wieder aktiv angesprochen habe, um mir Empfehlungen geben zu lassen, um mich beraten zu lassen. Dafür ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle.
Ein weiteres Thema spreche ich an dieser Stelle dann doch noch an. Der Kollege moniert in seiner E-Mail den Bezug auf die grundsätzliche Gewerkschaftsarbeit: „Der GDL geht es nicht um bessere Arbeitsbedingungen, sondern nur darum, einen Machtkampf zu gewinnen. Und darum geht es inzwischen auch nur dem DJV. Wer ein ganzes Land lahmlegt und jedes Angebot der Gegenseite als ‚PR-Gag‘ abtut, ohne es überhaupt eingehend zu prüfen und ein Entgegenkommen kategorisch ausschlägt, dem geht es nicht um die Sache.“
Ja, Claus Weselsky spaltet die Nation. Aber als DJV/BJV haben wir regelrecht die Verpflichtung uns solidarisch zu erklären. Wir erklären uns ja nicht solidarisch mit Weselsky – wir erklären uns solidarisch mit den Kolleginnen und Kollegen, die in der Gewerkschaft sind und darauf bauen, dass deren Interessen vertreten werden.
Wenn man mal fragen würde, welches die beiden größten Gewerkschaften Deutschlands sind, werden vermutlich nicht wenige antworten: GDL und Cockpit.
Zuletzt gab es auch aus bayerischen Reihen, aus den journalistischen Reihen, Kritik an den beiden Gewerkschaften, die den Verkehr immer wieder massiv lahm legen. „Warum machen die das?“, ist eine der oft gestellten Fragen. „Weil sie es können!“, wäre die kurze Antwort. Doch das wäre zu einfach.
Auch Sie haben zum Teil eine deutlich umständlichere Anfahrt hierher nach Augsburg gehabt, manch treuer BJVler ist gar nicht gekommen. Ja, das ist eine Auswirkung des Streiks, die es wirklich nicht einfach macht, sich solidarisch mit den Kolleginnen und Kollegen der Bahn zu zeigen.
Dabei wäre das so wichtig. Denn bei allen Einschränkungen, die wir alle erleben, ist dieser Arbeitskampf für unsere Gesellschaft vermutlich wichtiger, als wir es momentan sehen.
Es geht tatsächlich nicht nur um das Thema Lohnerhöhung, es geht vielmehr darum, wie Arbeitgeber, wie Unternehmen, wie Firmenbesitzer in Zukunft mit ihren Angestellten umgehen. Es gab Jahre, da preschte die Gewerkschaft nach vorne. Da diktierte die Gewerkschaft Angebote. Da wurden Vorgaben gemacht, die im Arbeitskampf auch durchgesetzt werden konnten. Heute sind wir in einer Situation, die einer Abwehrschlacht näher ist, denn einem Forderungskatalog. Wir diskutieren intern, wo wir noch Abstriche machen können, um den Arbeitgebern entgegen zu kommen. Wenn wir auf das Weihnachtsgeld verzichten, bekommen wir an anderer Seite vielleicht ein paar Euro mehr.
Ich glaube, das ist der falsche Weg. Daher sollte man auch nicht vorschnell in Richtung GDL rufen: „Jetzt nehmt die vier Prozent halt an“. Denn die GdL mit dem sicher nicht unstrittigen Vorsitzenden Weselsky möchte eben keine Verteidigungshaltung mehr einnehmen und möglichst wenig Einschnitte verbuchen. Nein, sie mögen mehr, sie wollen von den Gewinnen der Bahn prosperieren.
Nur mal am Rande erwähnt: Acht DB-Vorstände, an der Spitze Rüdiger Grube, kassierten nach Informationen des Handelsblatts 7,28 Millionen Euro an Erfolgsprämien, mehr als doppelt so viel wie die 3,42 Millionen Euro im Vorjahr. Erfolgsprämien, trotz Misserfolgen und nicht erreichter Ziele, Erfolgsprämien, die auf das Grundgehalt von zwischen 250.000 und 300.000 Euro im Jahr draufgeschlagen werden. Allein bei Grube rechnet man mit rund 2,5 Millionen Euro im Jahr an Verdienst. Ginge es nur um das Geld, wäre es einfach nun vorzurechnen, dass die 3100 Mitglieder, die Weselsky in der GDL vereint, dieses Geld gerecht aufgeteilt 70 Euro im Monat mehr bedeute, was durchschnittlich einer Steigerung von 3,8 Prozent netto bedeuten würde. Nehmen wir nur die gesamten Erfolgsprämien und lassen die Grundgehälter mal weg, bekäme jedes GDL-Mitglied 200 Euro im Monat mehr – eine Nettosteigerung von fast zwölf Prozent.
Käme es bei den Medienhäusern in Bayern nur auf das Geld an, wären die Zahlen sicher nicht ganz so rosig. Die durchschnittlichen Jahresgehälter der Geschäftsführer zwischen 100.000 und 400.000 Euro schlagen da nicht so zu Buche. Wesentlicher ist wohl der Gewinn nach Steuer. Und der scheint nicht unerheblich zu sein. Denn bis heute hat es noch kein Unternehmen geschafft, die Tariföffnungsklausel zu nutzen, indem die Gelder mal öffentlich gemacht werden. Es wird sich immer hinter dem Tendenzschutz versteckt. Und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, solange wir diese Zahlen nicht kennen, können wir auf das Klagen nicht reagieren. Denn dann scheint es den Häusern definitiv nicht allzu schlecht zu gehen.
Noch ärgerlicher macht es mich, wenn aus diversen Häusern zu hören ist, dass sie ihre Gewinne um weitere zehn bis 20 Prozent steigern wollen. Die Gewinne! Das heißt, es wird ein Plus gemacht. Das sei den Unternehmen auch gegönnt. Nur darf das nicht auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen geschehen.
Es gilt aber natürlich auch über den Tellerrand Gewerkschaft hinauszuschauen. Es gab viele Baustellen im vergangenen Jahr, die wir zu bearbeiten hatten. Viele existieren leider auch noch. Zu komplex sind die Themen. Ich muss eingestehen, dass wir bei der Thematik Vergütungsregeln für Freie nicht einen Schritt weitergekommen sind. Angesprochene Politiker staunen zwar immer angesichts der geschilderten Tatsache, dass dort Verträge einfach ignoriert werden, aber die Aktivität dort gesetzgeberisch einzugreifen hält sich in Grenzen. Das liegt aber auch daran, und das darf man nicht verheimlichen, dass das Bild der Freien ein sehr heterogenes ist. Nicht nur innerhalb der Gruppe, die wir hier im BJV vertreten, sondern auch in der Außenwirkung. Wir bekommen immer wieder von Politkern, von Funktionsträgern geschildert, dass deren Kontakte zu Freien ganz gut sind und diese sogar glücklich seien. Glücklich, weil sie zehn Euro bekommen und mit dem Bürgermeister ein Bier und ein Hendl konsumieren dürfen. Dass diese Wald und Wiesen-Reporter eine Konkurrenz zu den hauptberuflichen Journalisten sind, möchten die wenigsten registrieren.
Diese Wald- und Wiesenreporter sind wichtig für Zeitungen, unbestritten, aber eher als Ohr am Puls des Geschehens, denn als wirkliche journalistische Zulieferer. Das gilt für die Sparte der Pressesprecher im Übrigen ebenso.
Es gibt vermutlich kaum eine andere Branche, die originär mit hochkarätigen Berufskennern ausgestattet ist, wie die journalistische Branche, die aber zugleich soviel Laien in dem Feld beschäftigt. Im Operationssaal kämen Sie nicht mal als Operationsgehilfe ohne Ausbildung rein, ein Flugzeug wird von Profis geschickt und auch die Bahn lässt keine studentischen Aushilfskräfte als Lokführer zu. Aber in den Medien, die immer wieder deutlich auf die zu erhaltende Qualität hinweisen, dürfen sich sämtliche Ex-Siemensianer, Lehrer oder Schriftführer von Karnickelzuchtvereinen austoben. Das sollte uns zu denken geben.
Noch eine Baustelle – wo wir gerade dabei sind? Die kostenfreien Bilder von öffentlichen Einrichtungen, von Einsatzkräften wie Feuerwehr und Polizei gehen nicht zurück. Trotz klarer Anweisung aus dem Innenministerium durch Joachim Herrmann finden sich immer wieder Fotos mit dem Hinweis „Polizei, Feuerwehr“. Kommunen finanzieren riesige Presseabteilungen und arbeiten als Konkurrenz zu den freien Fotografen. Nicht immer gute Bilder, aber kostenfrei, nicht immer Qualität, aber mitten aus dem Geschehen und als Erste liefernd. Eine Dauerbaustelle, die auch nicht einfacher wird, weil sich die Fotografen zum Teil untereinander nicht einig sind und jeder Angst hat, dass der andere ein Stück mehr vom Kuchen bekommt. Auch hier wäre die Solidarität mal gefragt.
Es gebe noch einiges zu erwähnen, aber im Geschäftsbericht finden Sie die Ausführungen zu dem Tarifgipfel in München, dem FREItag, der Lobbyarbeit in Straßburg, zu Besser Online und, und, und ...
Nochmals zu der kritischen E-Mail: „Jetzt fühle ich mich von dieser Gewerkschaft noch weniger vertreten, die auch nichts gegen die fortschreitende Deprofessionalisierung unseres Berufes tut“, schreibt der Kollege.
Ich könne wieder zynisch werden, Sie wollen gar nicht wissen, wie hier Deprofessionalisierung geschrieben wurde – aber das ist ein anderes Thema.
Das kann ich aus einem anderen Grund erst recht nicht unterschreiben. Denn es gibt keine „diese Gewerkschaft“. Das vergangene Jahr hat mir gezeigt, dass wir als Berufsverband, als Gewerkschaft nur funktionieren, wenn wir von „unserer Gewerkschaft“ sprechen. Wenn wir von „Wir im BJV“ reden. Es ist so einfach zu sagen: „Macht mal“ – wir bewegen mehr, wenn wir sagen „Wir machen ...“ Es klingt vielleicht abgedroschen, beinhaltet aber einen sehr wahren Kern, der Spruch John F. Kennedys in leichter Abwandlung. „Schau nicht, was Dein BJV für Dich tun kann, schau was Du für Deinen BJV tun kannst!“
Ich will nicht klagen, viele wissen das. Da gehören zum Beispiel die Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle dazu. Ich kann mich da einfach nur bedanken. Mindestens einmal in der Woche mussten die Damen mich und meine Wünsche ertragen. Aber ein Grund, warum ich bis heute mit einem Lächeln und unbändiger Freude nach München in die Geschäftsstelle fahre, sind meine – und sie mögen mir den Ausdruck verzeihen – sind meine Mädels. Ich danke herzlich der Büroleiterin Ulrike Türck, Waltraud Paul, Monika Schulz, Judith Zinkann, den Buchhalterinnen Sybille Hildebrand und Karina Pahl.
Ich danke den Juristinnen und Juristen. Das sind diejenigen, die Tag für Tag beweisen, wie wichtig die Solidarität bei uns im Verband ist, wie wichtig die rechtliche Vertretung in den unterschiedlichsten Bereichen ist. Ich danke Bettina Kühnast, Berit Weide-Schörghuber, Inga Hobrecker, Dennis Amour und Stefan Marx – sowie noch im Mutterschutz, sollte aber nicht vergessen werden – Britta Kutzer.
Dass der ganze Laden funktioniert ist der Geschäftsführerin zu verdanken, vielen Dank an Jutta Müller.
Ebenfalls nicht zu vergessen, ist das Team für Online-Auftritt, Pressemitteilungen, Pressefoto und tausend anderer Kleinigkeiten Maria Goblirsch und Thomas Mrazek.
Es geht mein Dank an das BJVReport-Team rund um Michael Anger.
Ich danke dem Mentoring-Team, das erst vor Kurzem in die neue Runde gestartet ist unter der Obhut von Wolfgang Soergel.
Ich habe sicher viele andere vergessen, die erhalten pauschal meinen Dank.
Explizit danke ich aber noch dem Landesvorstand, der rege Diskussionen führt und vor allem ein Interesse hat, den BJV voran zu bringen im Sinne der Kolleginnen und Kollegen.
Und den größten Dank habe ich mir bis zum Schluss aufgespart. Der geht an meine Kolleginnen und Kollegen im geschäftsführenden Vorstand. Daniela Albrecht, Hilde Stadler, Markus Hack und Ralph Bauer – ich glaube wir haben zwei spannende Jahre hinter uns gebracht und ich danke für die immer vertrauensvolle, von Offenheit geprägte Zusammenarbeit.
Bevor ich nachher gefragt werde, welchen Gewerkschaftswitz ich eigentlich erzählt hätte, hier für alle:
Ein Gewerkschaftsfunktionär benötigt einen Herzschrittmacher. Der Arzt fragt: „Einen roten oder einen schwarzen?“ Der Patient: „Natürlich einen roten.“ Der Gewerkschafter nach der Operation zum Arzt: „Man sieht doch von außen gar nicht, ob rot oder schwarz. Was ist denn der Unterschied?“ Der Arzt: „Der rote arbeitet nur 35 Stunden in der Woche.“
Michael Busch
Vorsitzender
Bayerischer Journalisten-Verband