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Überfällige Neuorientierung: Was Medienprofis ständig wieder zurückhält

Überfällige Neuorientierung: Was Medienprofis ständig wieder zurückhält Attila Albert

Unklare Wünsche und Ziele, negative Emotionen, kein selbstbestimmter Zeitplan: Es gibt viele Faktoren, die eine überfällige Neuorientierung immer wieder verzögern. Jahre vergehen so ungenutzt. Karriere-Coach Attila Albert über die häufigsten Hindernisse und wie Sie sie überwinden.

Berlin – Wer sich beruflich neu orientieren müsste, weiß das meist längst selbst: Seit Jahren keine Beförderung mehr, das Einkommen stagniert und sinkt damit real sogar. Die Aufgaben sind anstrengend und monton zugleich. Woran liegt es, dass so viele Medienprofis in dieser Situation trotzdem nicht oder nur halbherzig handeln? Sich sagen: „So geht es nicht weiter”, aber genau so weitermachen? Das dringende Projekt abschließen, sich dann in den Urlaub retten, krank melden, im Job aufholen wollen – und immer wieder von vorn.

 

Bestimmte Hürden sind häufig, lassen sich aber überwinden. Darum soll es heute gehen. Ausführliche Empfehlungen dazu finden Sie in meinem 16-seitigen Dossier „Viel erreicht, wie weiter? Karriere-Strategien für Medienprofis”, das gerade neu erschienen ist. Neben einem Vergleich unterschiedlicher möglicher Karrierewege geht es darin u.a. um Strategien für sieben typische Karrierephasen. Zudem enthält es Praxistipps für das Selbstmarketing. Das Karriere-Dossier liegt Kress Pro 2023 #10 bei, ist aber auch einzeln erhältlich.

 

Unklare Wünsche, unkonkrete Ziele
Wer noch am Anfang seiner Überlegungen steht, erkennt das selbst an einer unkonkreten, kraftlosen Sprache: „Irgendwann‟ wechseln, „irgendwas‟ anderes machen, „irgendwie‟. Die genauen Wünsche sind unklar, die Ziele unkonkret. Ein realistischer Plan zur Umsetzung fehlt. Das kann sich zur jahrelangen Selbsttäuschung auswachsen: Man beruhigt sich damit, dass man ja immerhin schon „überlege”, obwohl praktisch fast nichts vorangeht.

Der Ausweg: Setzen Sie sich konkrete, messbare Ziele, die Sie begeistern und motivieren. Nur dann werden Sie die Mühen und Risiken einer Veränderung überhaupt auf sich nehmen, mehr noch: sich sogar darauf freuen. Das heißt nicht, dass Sie sich zu einem ständigen Aufstieg gezwungen fühlen müssen. Ihr Ziel kann zum Beispiel auch sein, das redaktionelle Themengebiet zu wechseln, weniger, zeitlich flexibler oder ortsunabhängig zu arbeiten.

 

Negative Emotionen blockieren
Wenn etwas nicht so läuft, wie man es sich vorgestellt hat (z. B. die eigene Karriere oder Einkommensentwicklung), sind negative Emotionen nur normal und verständlich: Je nach Persönlichkeit eine empfundene Hilflosigkeit mit passivem Aushalten oder auch Ärger, Frust und Wut. Andere verdrängen und verschieben jahrelang, diskutieren z. B. lieber die Weltlage und planen den nächsten Urlaub, als sich um ihre eigene Zukunft zu kümmern.

Der Ausweg: Zunächst sollten Sie sich Ihre Gefühle ehrlich eingestehen, im Gespräch mit einer Vertrauensperson auch einmal ausdrücken, ohne sie aber zu bewerten. Betrachten Sie sie eher als Indikatoren, denen Sie nicht zwingend folgen müssen. Konzentrieren Sie sich stattdessen darauf, was Sie konkret tun können, um Ihre Lage zu verbessern. Jede Kleinigkeit hilft Ihnen weiter und sorgt zudem dafür, dass Sie sich bald besser fühlen.

 

Kein selbstbestimmter Zeitplan
Selbstverständlich wird jeder Rücksicht auf die Bedürfnisse und Wünsche von anderen nehmen, insbesondere auf den Partner, auf die Kinder und eventuell bedürftige Eltern. Aber das darf nicht so weit gehen, dass diese ganz den Takt vorgeben und Sie sich nur noch fügen. Beispiel: Jahrelang in einem schwierigen Job ohne Perspektive bleiben, weil man den eigenen Kindern keinen Umzug und damit Schulwechsel zumuten will.

Der Ausweg: Insbesondere, wenn Sie die finanzielle Verantwortung für die Familie tragen, sollten der Erhalt Ihrer Arbeitskraft und Ihre berufliche Zukunftsfähigkeit im Vordergrund stehen. Nur so können Sie langfristig auch für andere da sein und werden nicht selbst bedürftig (z. B. Krankschreibung wegen Burnout, Arbeitslosigkeit wegen nicht mehr zeitgemäßer Qualifikation). Muten Sie nicht nur sich etwas zu, sondern angemessen auch anderen.

 

Von anderen treiben lassen
Überall sind wir von Meinungen, Wünschen und Forderungen anderer umgeben. Das gilt für den Familien-, Freundes- und Kollegenkreis, aber auch für die weitere Öffentlichkeit, die Ihnen z. B. in den klassischen und sozialen Medien begegnet. Sehr vieles davon ist nicht hilfreich, lenkt Sie ab oder führt ganz in die Irre. Sie verlieren wertvolle Zeit und vertun Chancen (wenn Sie z. B. auf Facebook diskutieren, anstatt Ihre Angelegenheiten zu klären).

Der Ausweg: Wählen Sie sehr bewusst und zurückhaltend aus, mit welchen Themen Sie sich beschäftigen und welchen Ansichten Sie sich aussetzen wollen. Achten Sie immer auch auf die Kompetenz und Erfahrung Ihres Gegenübers. Beispiel: Ein wohlmeinender Elternteil, der aber sein Leben lang angestellt war, ist für Sie kein guter Ratgeber, wenn Sie gerade eine Selbstständigkeit erwägen. Fragen Sie dazu lieber einen erfolgreichen Gründer.

 

Nicht im Alltag eingeplant
Im Berufs- und Privatleben gilt: Irgendwas ist immer. Dringende berufliche Termine und Abgaben, unvorhersehbare private Ereignisse vom kranken Kind bis zum Parkplatz-Unfall, Ferien und Alltagsvergnügen, die ebenso geplant und bezahlt werden müssen. Die eigene Zukunftsplanung scheint da nie so dringend und wird immer wieder verschoben: „Später mal, wenn nicht mehr so viel los ist.” Aber dieser Zeitpunkt kommt dann nie.

Der Ausweg: Setzen Sie sich einen festen Termin für Ihre Zukunftsplanung in den Kalender, z. B. immer freitags nach der Mittagspause, wenn es sowieso meistens ruhiger ist. Nutzen Sie den geblockten Termin für Bewerbungen, um Ihre Unterlagen und Online-Profile (LinkedIn, Xing, Webseite) zu aktualisieren, Branchenkontakte zu pflegen und zu erweitern. So wird das bald zur positiven Routine, kostet Sie weniger Überwindung und Einzelplanung.

 

Unrealistische Erwartungen
Bei Medienprofis, deren aktuelle Stelle „eigentlich nicht schlecht” ist, kommen zur ständigen Unentschlossenheit noch unrealistische Erwartungen. Sie wollen alle bisherigen Vorteile erhalten und sich in einzelnen Aspekten noch verbessern. Beispiel: Die Sicherheit des aktuellen Arbeitgebers, kein Umzug, dazu höhere Position und mehr Gehalt. Das schränkt die Möglichkeiten derart ein, dass es Jahre dauern kann, ehe ein Wechsel zustande kommt.

Der Ausweg: Ordnen Sie Ihre Kriterien in drei Kategorien – was ist für Sie zwingend, was wäre wünschenswert und was nett, aber nicht wirklich wichtig? Diese Aufteilung zwingt Sie dazu, Prioritäten festzulegen. Es kann nicht alles gleich wichtig sein. Gehen Sie immer davon aus, dass Sie für eine Verbesserung (oder überhaupt jede nennenswerte Chance) einen Preis bezahlen müssen, und seien Sie innerlich und praktisch auch bereit dazu.

 

Unsicherheit wegen fehlender Erfahrung
Manchmal verzögert sich die Neuorientierung auch wegen fachlicher Unsicherheit oder Unerfahrenheit. Wer sich lange nicht mehr beworben hat, verschickt möglicherweise wenig überzeugende Anschreiben und verwirrende Lebensläufe, ohne dass es ihm selbst bewusst ist. Wer sich nicht traut, andere in der Branche anzusprechen und sich vorzustellen, lässt viele Chancen auf Jobangebote bzw. neue Aufträge ungenutzt.

Der Ausweg: Identifizieren Sie mögliche Wissens- und Erfahrungslücken so präzise wie möglich und gehen Sie sie gezielt an. Manchmal genügt ein Artikel, Buch oder Kurs, oft ist die persönliche Unterstützung durch einen kompetenten Experten sinnvoller. Wenden Sie das Gelernte immer direkt praktisch an, um bisherige Hürden zu beseitigen. Nutzen Sie Weiterbildungen nicht dafür, eine überfällige Entscheidung erneut zu verschieben.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: 7 Branchentrends

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.