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Gekränkt: Wie Medienprofis verletzten Stolz überwinden

Gekränkt: Wie Medienprofis verletzten Stolz überwinden Attila Albert

Beruflich zurückgestuft, bei einer Bewerbung abgelehnt, den Job verloren: Manche Verletzung beschäftigt Medienprofis jahrelang. Doch das muss nicht sein, sagt Mediencoach Attila Albert. Wer den inneren Neuanfang angeht, erkennt im Rückblick oft, dass alles doch seinen Sinn und Wert hatte.

Berlin – Mehr als zehn Jahre hatte ein Redakteur für einen Verlag gearbeitet. Als erneut ein größerer Stellenabbau angekündigt wurde, verletzte ihn eine Ankündigung besonders: Dass, wer bleiben wolle, sich auf seine Stelle neu bewerben müsse. Wegen der häufigen Wechsel seiner Chefs hatte er bereits sein Zwischenzeugnis selbst schreiben müssen, als würde man ihn gar nicht kennen. Der Redakteur war sich nicht sicher, ob das rechtlich alles so erlaubt war. Aber vor allem hatte er das Gefühl, seine Leistung und er selbst würden entwertet.


Gekränkt sein heißt, eine Verletzung der beruflichen oder persönlichen Ehre, seiner Gefühle oder des Selbstbewusstseins zu empfinden. Eine kleine Kränkung spürt jeder gelegentlich und kann sie wegstecken, bald auch ganz vergessen. Aber viele Medienprofis erleben auch einmal eine Verletzung (z. B. Zurückstufung, Ablehnung, Entlassung), die sie jahrelang beschäftigt. Aus mancher früheren Führungskraft, die sich verbittert über ihren ehemaligen Arbeitgeber äußert, spricht die unbewältigte Kränkung. Das muss nicht sein.


Klären, warum Sie etwas verletzt hat

Zu einem gewissen Grad kann man sich von einer Kränkung ablenken. Schon der nächste Urlaub, selbst das bevorstehende Wochenende, trösten: „Erst mal was anderes.” Wenn Sie aber spüren, dass die Enttäuschung länger in Ihnen nagt, sollten Sie handeln. Sie ersparen sich damit einen Verlust an Lebensqualität, der meist völlig einseitig ist – der andere hat oft längst vergessen, dass er Sie verletzt hat, oder es ist ihm egal. Tragen Sie gerade noch die Folgen (z. B. schwierige Suche nach neuer Arbeit), ist der innere Neuanfang umso wichtiger.


Ein wichtiger Schritt ist, sich der Kränkung überhaupt bewusst zu werden: Wer hat mich gekränkt, und warum hat mich das getroffen? Das bedeutet, sich gedanklich einmal von der Sachfrage (z. B. dem Streit über einen kritisierten Beitrag oder ein Projekt) zu lösen, aber auch von der Verärgerung über den anderen. Und stattdessen vor allem auf die Wirkung zu achten: Welche Eindrücke und Gefühlehat das Erlebnis in Ihnen ausgelöst? Fühlen Sie sich deswegen schwächer und entmutigt, wütend, durcheinander und ziellos?


Vorsicht bei „Ich-Botschaften” im Beruf

Es kann manchmal sinnvoll sein, die eigene Kränkung auszusprechen. Aber generell wäre ich im beruflichen Kontext zurückhaltend mit sogenannten „Ich-Botschaften”. Beispiel: „Ich hätte nie gedacht, dass du mich einfach so abservierst. Ich habe doch jahrelang alles für diesen Job gegeben!” Auf andere wirken Sie damit schnell schwach und hilflos, machen sich zusätzlich angreifbar für Spott und Hohn. Wollen Sie sich im Beruf derart offenbaren, sollten Sie sicher sein, dass man es mit Respekt, Mitgefühl und Diskretion aufnehmen wird.


Sprechen Sie sich besser bei einer Vertrauensperson (z. B. Mentor, Coach, Therapeut) aus, die professionelle Distanz und Erfahrung hat. Freunde und Partner fühlen sich auf Dauer genervt und überfordert, wenn sie sich immer wieder dieselbe Geschichte anhören müssen und außer Verständnis und Trost („Das wird schon wieder”, „An dir lag es nicht”) nicht viel anbieten können. Hilfreich ist dagegen, sich alles einmal aufzuschreiben: Wer hat was gesagt und getan, wie kam das bei Ihnen an? Das ordnet und klärt die Gedanken und Gefühle.


Interner Wechsel oder neuer Job

Ein guter Schritt, eine Kränkung zu überwinden, ist der praktische Neuanfang. Halten Sie sich nicht ewig damit auf, sich über die andere Person (z. B. den Chefredakteur) zu ärgern, sich über die Entscheidungen Ihres Arbeitgebers zu empören, immer wieder über die Motive der Beteiligten zu grübeln. Sie werden sie möglicherweise nie erfahren oder verstehen. Beginnen Sie etwas Neues: Innerhalb des Unternehmens, etwa durch einen Wechsel der Aufgabe, des Themengebiets oder Teams, oder gleich mit einem externen Wechsel.


Haben Sie eine spannende neue Herausforderung, wird die erlebte Kränkung zu einer Angelegenheit der Vergangenheit, die allmählich ihre Bedeutung verliert. Anfangs kann sie sogar motivieren – nach dem Motto: „Denen zeige ich’s jetzt!” Bald wird sie nebensächlich, und im Rückblick können Sie vielleicht sogar ihren Wert erkennen. Beispiel: Sie wurden durch die erlebte Kränkung zu einer Entscheidung (z. B. Weggang von einem schwierigen Chef, Selbstständigkeit) gezwungen, die Sie sonst nie durchgezogen hätten.


Manche Kränkung zwingt zu einem Umdenken und hat dadurch ihren Wert. Beispiel: Sie erleben den Aufstieg von KI-Werkzeugen (mehr dazu im Dossier von Kress Pro 5/2023) als Entwertung Ihrer bisherigen Arbeit. Wenn Sie aber länger darüber nachdenken, kommen Ihnen eventuelle Ideen, wie Sie die Entwicklung zu Ihrem Vorteil nutzen können. Dann halten Sie sich nicht mehr lange mit Enttäuschung, Wut und Verbitterung auf, sondern beginnen gereift, gelassener und damit stärker Ihren nächsten Lebensabschnitt.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Organisierter arbeiten

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.