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Ewige Stagnation: Wenn Medienprofis nichts verändern und entscheiden dürfen

Ewige Stagnation: Wenn Medienprofis nichts verändern und entscheiden dürfen Attila Albert

Wer lange beim selben Arbeitgeber ist, fühlt sich oft vernachlässigt und eingeschränkt. Neue, jüngere Kollegen werden eher befördert. Eigene Verbesserungsvorschläge dringen nicht durch. Mediencoach Attila Albert sagt, wie Sie nach vielen Berufsjahren noch den Neuanfang schaffen.

Berlin – Die Redakteurin eines Regionalsenders war seit 15 Jahren im Unternehmen. Ihre Arbeit mochte sie noch immer, auch wenn vieles längst Routine war. Doch es ärgerte sie, dass sie nie eine Führungsposition erreicht hatte und niemand ihr Potenzial zu sehen schien. Offene Stellen gingen an jüngere Kollegen oder externe Bewerber. Mit Verbesserungsvorschlägen konnte sie selten durchdringen, obwohl sie viel Erfahrung vorzuweisen hatte und den Sender besser als die meisten kannte. Es kam ihr sinnlos vor, noch länger zu bleiben.

 

Wer lange beim selben Arbeitgeber ist, fühlt sich oft vernachlässigt. Das Gehalt kommt sicher und ist nicht schlecht, aber auch mit dem unterschwelligen Gefühl verbunden, dafür dankbar sein zu müssen. Das Umwerben der ersten Berufsjahre, die Aufregung im neuen Job, die Hoffnung auf einen Aufstieg sind abgeklungen. Gerade zwischen Mitte 40 und Ende 50 ist dann eine Grundsatzentscheidung fällig: Wollen Sie trotzdem weitermachen wie bisher? Oder noch einmal die Kraft aufbringen, ein neues Kapitel aufzuschlagen?

 

Neugier, Aufregung und Leidenschaft des Karrierebeginns lassen sich in jedem Lebensalter neu erleben, wenn Sie sich neuen Herausforderungen aussetzen. Sich von Zögerlichkeit und Bequemlichkeit verabschieden, wieder etwas ausprobieren und wagen. Manchmal ist das noch beim aktuellen Arbeitgeber möglich, häufiger jedoch erfordert das einen grundsätzlichen Wechsel: Neues Unternehmen, vielleicht sogar ein neues Profil (z. B. vom Journalismus ins Corporate Publishing, von der Printredaktion ins Audio-Team).

 

Hängt nur begrenzt von der Anstellungsdauer ab

Stagnation hat nur begrenzt etwas mit der Dauer der aktuellen Anstellung zu tun. Mancher ist 20 Jahre beim selben Arbeitgeber, hat sich aber inhaltlich, hierarchisch und finanziell regelmäßig weiterentwickelt. Anderen wird schon in der Probezeit klar, dass Ihnen ihre neue Stelle kein Wachstum bieten kann.

 

Anzeichen dafür, dass Sie stagnieren:

  • Sie sind seit Jahren in derselben vertraglichen Situation (z. B. als Redakteur) und haben seit langem höchstens noch die tariflichen Gehaltserhöhungen erhalten.
  • Beförderungen gehen an neue Mitarbeiter oder jüngere Kollegen. Obwohl Sie so lange im Unternehmen sind und man Sie kennt, traut man Ihnen nicht mehr zu.
  • Es fällt Ihnen zunehmend schwer, neue, gar jüngere Vorgesetzte zu respektieren. Denn oft ertappen Sie sich bei dem Gedanken, dass Sie es besser könnten.
  • Einerseits wünschen Sie sich mehr Führung, tun sich wegen Ihrer langen Erfahrung andererseits schwer damit, sich noch etwas von anderen sagen zu lassen.
  • Ihre Aufgaben empfinden Sie als umfangreich, aber monoton. Beispiel: Sie schreiben viele Artikel, unter hohem Zeitdruck und immer wieder über ähnliche Themen.
  • Die aufregendste Zeit Ihres Berufslebens liegt in der Vergangenheit. Sie erinnern sich regelmäßig und nostalgisch daran („Ich weiß noch, als wir damals...“)
  • Mit eigenen Verbesserungsvorschlägen dringen Sie nicht durch. Auf Veränderungen von oben reagieren Sie gleichzeitig desillusioniert, abwehrend bis trotzig.
  • Insgesamt kommt Ihnen Ihre Arbeit manchmal ein wenig sinnlos vor. Sie brauchen das Einkommen und schätzen vieles noch, vermissen aber Substanz.

 

So sehr Sie die Sicherheit und Gewohnheit schätzen: Diese Anzeichen weisen darauf hin, dass Sie aus Ihrer aktuellen Stelle hinausgewachsen sind. Es wird Zeit für etwas Neues, wenn Sie nicht langsam schwächer – weil gelangweilt und frustriert – werden wollen, was andere durchaus bemerken. Damit verhindern Sie auch unpassendes Konkurrieren mit Jüngeren, die unweigerlich nachrücken, und suchen sich Herausforderungen, die zu Ihrem Lebensalter und Erfahrungshorizont passen. Beispiel: Von der langgedienten Redakteurin zur Leiterin einer Pressestelle, die einen redaktionellen Hintergrund mitbringt.

 

Prüfen, was Ihr Anteil daran ist

Zur persönlichen Bestandsaufnahme gehört auch der selbstkritische Blick: Stagnieren Sie, wenn Sie ehrlich sind, auch aus eigenem Verschulden? Wann war Ihre letzte relevante Weiterbildung, wann haben Sie zuletzt ein neues Aufgabengebiet oder ein eigenes Projekt in Angriff genommen, sich der Branchenöffentlichkeit gezeigt? Bei dieser Überlegung geht es nicht darum, sich Selbstvorwürfe zu machen, sondern ungenutztes Potenzial zu entdecken. Aber auch zu reflektieren, was Sie bisher – und schon so lange – abgehalten hat (z. eigene Unsicherheit bei der Außendarstellung, Ängste beim Netzwerken, zu wenig Zeit für sich).

 

Wenn Sie sich aus familiären Gründen und empfundener Loyalität zum Arbeitgeber lange zurückgehalten haben, darf es an dieser Stelle auch wieder einmal mehr um Ihre Wünsche und Ziele gehen. Das Ausbrechen aus der Stagnation erfordert, sich gedanklich und zeitlich mehr, aber anders mit dem Job zu beschäftigen: Neue Ziele zu erarbeiten, das eigene Netzwerk auszubauen, eventuell eine passende Weiterbildung anzugehen. Oft ist sogar ein ganz neues Auftreten – bis hin zum Look, also zu Frisur und Kleidung – notwendig, wenn Sie in den vergangenen Jahrzehnten nichts mehr daran geändert haben.

 

Wer führen will, muss das einfordern

Was die Wahrnehmung, nichts verändern oder entscheiden zu dürfen, angeht: Das mag stimmen. Aber Entscheidungsmacht muss man sich holen. Sie wird einem nur selten gegeben, sondern geht an denjenigen, der sie einfordert und zu Konsequenzen bereit ist, wenn er sie nicht erhält. Konkret: Nicht ewig wartet und sich vertrösten lässt, sondern dann eben den Arbeitgeber wechselt oder sich selbstständig macht. Daher sollten Sie sich im mittleren Lebensalter auch auf „Senior-Stellen‟ bewerben, bei denen also Ihre Erfahrung gefragt ist und Sie nicht mit deutlich Jüngeren vor allem über das Gehalt konkurrieren.

 

Fehlende Führungserfahrung lässt sich auch mit über 40 noch nachholen und üben, indem Sie z. B. Urlaubsvertretungen übernehmen (auch außerhalb Ihrer Stammredaktion bzw. Abteilung) und eigene Projekte anbieten und leiten. In der Freizeit bieten sich ehrenamtliche Leitungsfunktionen an, indem Sie z. B. für ein Amt in einem Vereinsvorstand kandidieren. Beides darf anschließend auch in Ihren Lebenslauf. Das heißt nicht, dass jeder eine Führungsposition anstreben sollte und erhalten kann. Aber auch eine Fachkarriere erfordert, dass man Ihnen Budget- und Personalverantwortung zutraut.

 

Bei anderen bemerkt man leicht, wie nervig es ist, wenn sie eine überfällige Veränderung ewig verschieben. Lieber jammern, andere verantwortlich machen oder sich in Ablenkungen (z. B. Urlaub) flüchten. Für einige Zeit ist das normal und akzeptabel. Aber nach zwei bis drei Jahren der Stagnation empfiehlt sich ein Wechsel. Aus Respekt Ihrer bisherigen Lebensleistung und den verbleibenden Jahren im Berufsleben gegenüber. Machen Sie also regelmäßig neue Pläne und verändern Sie, was für Sie nicht mehr passt. Wer stagniert, baut ab. Wer sich weiterentwickelt, erlebt in jedem Alter wieder einen spannenden Neuanfang.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Das Geheimnis erfolgreicher Medienprofis

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.