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Springer-Akademie-Chef Spahl: „Journalismus auf Deutsch ist unser Kerngeschäft“

Am liebsten würden sie bei Axel Springer inzwischen nur noch auf Englisch schreiben, kommunizieren, denken. So erscheint es zumindest für Außenstehende, die die internationalen Expansionspläne des Medienkonzerns in diesem Jahr genau beobachtet haben. Von Bülend Ürük.

Berlin - Da passt es, dass die Axel Springer Akademie gerade frisch das internationale, englischsprachige Rechercheprojekt "Generation Separation" umgesetzt hat. Doch Marc Thomas Spahl, Direktor der Axel Springer Akademie, beruhigt.

Im Newsroom.de-Interview sagt Spahl, der die Journalistenschule seit 2010 führt, dass die eigene Sprache "natürlich wichtiger" sei: "Dass wir klares, verständliches, schönes Deutsch verwenden. Das ist schließlich unser Kerngeschäft. Wenn wir es aber mit der Internationalisierung ernst meinen und neue Formate nicht nur in Deutschland anbieten wollen, müssen unsere Reporter auch auf englisch berichten."

 


Marc Thomas Spahl lenkt seit 2010 die Geschicke der Axel Springer Akademie.

 

Herr Spahl, an der Axel Springer Akademie haben Sie gerade ein englischsprachiges Rechercheprojekt gestartet. Was verbirgt sich genau dahinter?

Marc Thomas Spahl: Unsere jungen Journalisten haben zehn Tage lang live aus 15 Ländern berichtet. Sie hatten sich vorgenommen, zentralen Konflikten Europas nachzuspüren: Rechtspopulismus, Wirtschaftskrisen, Autonomiebestrebungen, Extremismus, ethnische Konflikte. Dabei ging es vor allem um die Frage: Verabschiedet sich die heutige Jugend vom europäischen Gendanken, gibt es eine „Generation Separation“?

Wie haben Sie Ihre Journalistenschüler auf diese Aufgabe vorbereitet?

Marc Thomas Spahl: Zunächst inhaltlich: Wir haben gemeinsam das Thema geschärft, Formate entwickelt, Recherchepläne erarbeitet. Dann natürlich handwerklich: Die jungen Kollegen haben wie alle Teams der Akademie eine umfassende crossmediale Ausbildung bekommen, schwerpunktmäßig Bewegtbild-Training. Aber auch Social Media spielt bei uns eine sehr große Rolle und war gerade für dieses Projekt unheimlich wichtig. Die jungen Kollegen waren während der Live-Phase für die User ständig erreichbar und haben eben nicht nur die Website www.generation-separation.eu bespielt, sondern ihre Geschichten vor allem über die sozialen Netzwerke verbreitet.

Im Kern verfolgen Sie damit schon ein Ziel, das Axel-Springer-Vorstandsvorsitzender Dr. Döpfner bei einer Bilanzpressekonferenz ausgegeben hat. Wie wichtig ist es für Journalisten in Deutschland tatsächlich, auch auf Englisch kommentieren oder eine Reportage verfassen zu können?

Marc Thomas Spahl: Wichtiger ist natürlich erst mal die eigene Sprache. Dass wir klares, verständliches, schönes Deutsch verwenden. Das ist schließlich unser Kerngeschäft. Wenn wir es aber mit der Internationalisierung ernst meinen und neue Formate nicht nur in Deutschland anbieten wollen, müssen unsere Reporter auch auf englisch berichten. Wir haben das bei „Generation Separation“ beobachten können: Auf einmal interessieren sich Menschen, Institutionen, Redaktionen aus ganz Europa für eines unserer Projekte.

Aber ist es nicht vermessen, von Journalisten in Deutschland plötzlich zu verlangen, ebenso auf Englisch zu formulieren?

Marc Thomas Spahl: Das ist genau der Punkt: Sie müssen sich auf englisch nicht genauso ausdrücken können wie in ihrer Muttersprache. Das habe ich den jungen Kollegen auch als Ermutigung mit auf den Weg gegeben: Klar spricht der eine tolles Englisch, weil er etwa in den USA studiert hat, und der andere nicht ganz so perfekt. Aber gerade bei Live-Berichterstattung ist das kein Drama, im Gegenteil, es wirkt authentisch. Hauptsache wir erreichen viele Menschen.

Gibt es denn Pläne, als Axel-Springer-Akademie jetzt auch mehr hausinterne Seminare auf Englisch anzubieten?

 

Zur Person: Marc Thomas Spahl, Direktor Axel Springer Akademie Vita: 1988-94 Freier Autor; 1995-96 Henri-Nannen-Schule; 1996-98 verantwortlicher Redakteur, dann Ressortleiter Nachrichten "Hamburger Morgenpost" (G+J); 1998-2001 Textchef, dann stv. Chefredakteur "Max" (Milchstraße); 2001 Entwicklung und stv. CR Tageszeitung "extra" (Axel Springer); 2002-2006 Geschäftsführender Redakteur, Chefredaktion "Die Welt" und "Berliner Morgenpost"; 2007 Aufbau und stv. Direktor der Axel Springer Akademie; daneben 2008 Projektleiter des mehrfach ausgezeichneten Reportagemagazins "Humanglobaler Zufall"; seit 2010 Direktor Axel Springer Akademie (u.a. Höchstwertung im "Trendreport Journalistenschulen 2.0"; Grimme Online Award 2010, Nominierungen 2011 und 2014; Innovationspreis App-Awards 2011; CeBIT-Appstar in Silber 2011; European Newspaper Online Award 2012, 2013, 2014) ; Ausbildung: 1990-1994 Studium der Germanistik und Politik, Otto-Friedrich-Universität Bamberg; 1995-1996 Henri-Nannen-Schule, Hamburg; Journalistenpreise: 1995 und 1996 Axel-Springer-Preis für junge Journalisten.

 

Marc Thomas Spahl: Wir haben auch jetzt schon einige englischsprachige Dozenten und Gäste zum Studium generale, nur nochmal: Gerade als Journalistenschule arbeiten wir vor allem an der deutschen Sprache. Wir werden aber auch in Zukunft Projekte auf Englisch realisieren. Ich war gerade eine Zeit lang im Silicon Valley und habe dort auch das Online-Magazin OZY besucht, bei dem unser Verlag inzwischen der größte Investor ist. Mit Carlos Watson, dem Chefredakteur, habe ich vereinbart, dass unsere Studenten künftig aus Berlin über Musik, Trends, junge Themen für OZY schreiben oder Videos drehen. Berlin ist immer ein Thema, er war begeistert, also eine Win-win-Situation.

Welchen Rat geben Sie Journalisten im deutschsprachigen Markt, um sich auch international mehr Gehör zu verschaffen? Wäre es eine Möglichkeit, die eigenen Artikel auch immer 1 zu 1 ins Englische zu übersetzen?

Marc Thomas Spahl: Nicht grundsätzlich, der Aufwand wäre für die meisten wahrscheinlich zu groß. Aber wenn es Sinn macht wie jetzt bei unserem Europa-Projekt und es ein Publikum gibt, lohnt sich das. Was man immer tun sollte, wenn man ein Thema von internationaler Relevanz hat, ist: auch englisch teasern und das über die sozialen Netzwerke gezielt an potenzielle Multiplikatoren, Blogger etc. verbreiten.

Das Handelsblatt hat seine englischsprachige Global Edition gestartet, Ihre Journalistenschüler gestalten maßgeblich die „Welt Kompakt“. Gibt es Ideen, die „Welt Kompakt“ auch in einer englischen Ausgabe zu veröffentlichen?

Marc Thomas Spahl: Nein, gibt es nicht.

Würden Sie anderen deutschen Journalistenschulen und Medien empfehlen, die Leser ebenfalls auf dem internationalen Markt zu suchen und die Journalisten auf Englisch veröffentlichen zu lassen?

Marc Thomas Spahl: Die Zukunft gehört in unserem Job denen, die Neues ausprobieren. Ich kann niemandem einen Rat geben. Aber für Axel Springer und die Akademie ist es der richtige Weg.

Die Fragen an Marc Thomas Spahl, Direktor der Axel Springer Akademie, stellte Newsroom.de-Chefredakteur Bülend Ürük.